Gleichnisse und Spiritualität
Gleichnisse und Spiritualität
Arbeiter im Weinberg
Arbeiter im Weinberg

PRACTICE OF THE PRESENCE OF
GOD THE BEST RULE OF A HOLY LIFE
Conversations and Letters by Brother Lawrence

Tageslauf, Jahreslauf und den Lauf der Seele, die sich öffnet für die barmherzige Liebe Gottes, beschreibt Tersteegen in seinen Liedern.

Beispiele:  Erntedank, Morgenlied, Gottes Gegenwart, Ermunterung der Pilger,

Gottes Güte. 

 

dieser Link führt zu einem der bekanntesten

Lieder " Ich bete an die Macht der Liebe"

https://www.youtube.com/watch?v=Ol98zhJXa9o

Wie wir lernen, nicht aus dem falschen, sondern aus dem wahren Selbst zu leben, zeigt der Psychiater Dr. Checkley am Beispiel von Bruder Lorenz.

Das Tersteegenhaus in Mülheim, war die ehemalige Wirkungsstätte von Gerhard Tersteegen 

http://heimatmuseum-tersteegenhaus.de/

 

Auserlesene Lebensbeschreibungen  - Vorberichte

BAND I

 

Gregorius Lopes  Vorbericht  v. Gerhard Tersteegen

Gregorius Lopes ist am 4. Juli 1542 in Madrid geboren.
Diese folgende Lebensbeschreibung ist anfangs beschrieben durch Franziskus Losa, gewesenen Pfarrer in der Hauptkirche zu Mexico in West-Indien, welcher 18 Jahre lang mit dem Gregorius Lopes vertraulich umgegangen, und nachdem er sein Amt  niedergelegt, bis ins siebte Jahr in einem Hause mit demselben zu S.Fé (zwei Meilen von Mexico) gewohnt hat. Nachher ist dieses Leben durch einen anderen sehr vertrauten Freund des Lopes, den Johannes v. St. Jacob, vermehret, und in spanischer Sprache 1658 in Madrid gedruckt worden. Aus demselben hat es in Französischer Sprache der berühmte Arnold d´Andilli, erstmals in Paris 1673, und bald darauf unter seinen „Oeuvres diverses 1675. Nach dieser Edition hat es der Herr Poiret im Jahr 1717 in Amsterdam wieder auflegen lassen, und mit einer erbaulichen Vorrede versehen, unter dem Titel: Le Saint solitaire des Indes.

            Dieser letzten Edition hat man sich bei dieser Übersetzung und Auszug bedient. Die Übersetzung, vornehmlich der eigenen Worte dieses Heiligen, ist mit möglichster Treue geschehen. Das Wesentlichste und Nützlichste wird der Leser in diesem Auszug finden, der doch nicht den dritten Teil des Buches ausmachen wird. Übrigens wird es wohl nicht nötig sein, zu erinnern, dass man bei Herausgabe dergleichen Lebensbeschreibungen, nicht eben das Außerordentliche  und Sonderliche zur Nachfolge vor die Augen lege. Nicht ein Jeder ist berufen, mit Lopes nach Indien zu ziehen, und in gänzlicher Einsamkeit zu leben; aber ein jeder muss, mit ihm, Gott sein Herz geben, beten ohne Unterlass  und seinen Wandel im Himmel haben, welches das Wesentliche ist, so uns dieses Exempel lehren soll.

            Die Zeugnisse, Approbationes, und Lobreden diese Mannes alle hier anzuführen, achtet man überflüssig zu sein; es stehen deren eine ganze Menge den Editionen vorgedruckt. Die Könige in Spanien Philippus II. und III. haben mit allem Ernst die Kanonisation unseres Heiligen beim Pabst zu befördern gesucht. Nachdem aber die Vernunft angefangen, die reine und unverrückte Liebe Gottes zu bestreiten, und aus diesem Leben zu verbannen, so ist auch Lopes ins Register der Quietisten gesetzt worden; welches Verständigen schon eine Approbation (Empfehlung) sein kann. Wenigstens haben diejenigen, so insgemein mit diesem Namen beleget werden, diesen Mann hoch erhoben. Der berufene Molinos nannte ihn einen vortrefflichen, und in der geheimen Gottesgelehrtheit mit tiefer Erkenntnis begabten; einen mit Fleisch umgebenen Seraphin und vergötterten Menschen. Joh. Falconi (gleichfalls ein Spanier), gibt ihm den Titel eines großen Mannes, eines berühmten Geistlichen, der die Reinigkeit des Geistes sehr wohl begriffen, dessen Leben ein immerwährendes Gebet gewesen, und der vielmehr ein Seraphin in einem Leibe als eine Mensch wie andere, zu sein schien. Die berühmte Frau Guyon nannte die Lebensbeschreibung des Lopes vortrefflich und zählte in unter die großen Heiligen.

            „Aber es kann nichts (beschließe ich mit den Worten des französischen Herausgebers Poiret) dieses Werklein besser empfehlen, als seine eigene Materie, und die Würdigkeit seines Inhalts, welcher uns auf  der einen Seite vor Augen legt, Gott überall gegenwärtig, das alleinige vollkommene Wesen, und das höchste Gut, mit seinen allerteuersten göttlichen und geistlichen Wirkungen; und an andererseits, das allerwürdigste seiner Geschöpfe, den Menschen nämlich, begabet mit Verstand und Willen, allhier vorgestellt in dem allerbesten Zustand, worin er sich, währen der Zeit seines Lebens hier auf Erden, befinden kann; und dieses alles in einem einsamen Menschen, dessen Verstand, Herz, Neigungen, Verrichtungen, kurz, alle Kräfte und Taten seines Gemütes, durch eine gründliche und immerwährende Applikation (Beschäftigung), nur mit Gott, mit seinem Willen, mit seiner Liebe, und mit der Liebe des Nächsten beschäftigt waren. Welches einigermaßen  dienen müsste, die Menschen aus der Schlafsucht aufzuwecken, worin sie in Ansehung dieser Dinge sind, und sie zu bewegen, hierbei mit allem Ernst sich selbst zu betrachten“.

            Wahrlich die Menschen sind für Gott geschaffen; sie haben von demselben ein Herz empfangen, damit sie Ihn lieben und in Liebe  in  ihr Herz aufnehmen mögen; sie haben einen Verstand, damit sie Ihn beschauen; allerhand Gemütsneigungen und Kräfte, damit sie sich mit Ihm beschäftigen mögen…. Aber, man denket nicht daran! Die vergänglichen Nichtigkeiten nehmen alle ihre Neigungen ein, und mit denselben beschäftigen sie sich ganz; und danach, wenn es zum Sterben kommt, wird man erst seiner groben Thorheit gewahr, wenn man alle diese nichtigen Kindereien auf ewig verschwinden sieht….. Ach, was würde man dann nicht darum geben, oder tun, dass man wie unser heiligen Einsiedler, in dem Augenblick seines Todes sagen könnte: Alles ist nun klar, es ist nichts mehr verborgen; und es ist ein voller Mittag für mich!

s.a. https://www.hermitary.com/articles/lopez.html

 

Armelle Nicolas    (die gute Armelle) 1606 - 1671  Vorbericht v. Gerhard Tersteegen

Armelle ist am 16. Sept. 1606 im Kirchspiel Campeneac, nahe der Stadt Ploermel in der Bretagne geboren. Ihre Eltern, Georg Nicolas und Francoise Neant, waren einfache Ackersleute.
Der Geist  trieb Lopes in die Wüsten, und eben derselbe Geist trieb die gute Armelle aus den Wüsten eines stillen Klosters. Diese unwissende Bäuerin und arme Dienstmagd soll uns nun mit ihrem Exempel lehren, dass es durch göttliche Gnade wohl möglich sei, mitten unter dem Getümmel der Menschen und unter den Lasten einer schweren Haushaltung, eben das zu tun, was jener in der Einsamkeit getan hat, Gott zu lieben unverrückt und mit vollkommenem Herzen.

            Eine fromme Ursulinen Klosterjungfer zu Vennes, Jeanne de la Nativite, war mit unserer Armelle genau bekannt. Der gemeinsame Umgang, den sie miteinander hatten, machte, dass Armelle in Gegenwart dieser Freundin manchmal ihren inneren Flammen Raum gab, und die Wunder der göttlichen Liebe, welche in ihrem Herzen vorgingen, einfältig erzählte. Es waren schon mehrere Jahre solchen Umgangs vergangen, als genannte Jungfer eine schmerzliche Empfindung darüber bekam, dass so große Gnaden sollten mit der Armelle ins Grab der Vergessenheit begraben werden, und fing darauf im Namen Gottes an, das Leben der Armelle aufzusetzen. Als sie aber 9 oder 10 Kapitel davon geschrieben hatte, geriet sie in einen Zweifel, ob nicht etwas ihr Gedächtnis bisweilen fehlen mögte, ihr die Sachen nach allen Umständen der Wahrheit anzugeben. Sie getraute sich gleichwohl nicht, die Armelle so genau auszufragen, aus Angst, sie möge ihr Vorhaben bemerken, und hernach ablassen, mit gewöhnlicher Vertraulichkeit mit ihr zu reden. „Da ich nun in dieser Furcht war“, (so beschrieb diese Jungfer den Ausgang der Sache) „und nicht wusste, wie ich eigentlich hinter die Wahrheit kommen mögte, so gefiel es dem Herrn, dass er sie eben zu der Zeit in ein ganz Göttliches und übernatürliches Leben einführte, und sich ihrer Seele mit so wunderbaren und überfließenden Eingüssen mitteilte, dass sie nicht wusste , wie sie Ihm genug dafür danken sollte; bekam demnach einen starken Trieb, dass sie auch andern bekannt werden mögten, usw. Darauf fragte ich sie, ob sie dann wohl zufrieden wäre, wenn man solches aufzeichnete. Ja, antwortete sie mir mit einer großen Brünstigkeit, und ich wollte, dass es mit meinem eigenen Blut geschähe, ja, dass alles Blut, so ich in meinen Adern habe, und alle Gebeine meines Leibes, so viel Zungen und Stimmen wären, vor Engeln und Menschen die Überschwänglichkeit der Güte und Barmherzigkeit meines Gottes gegen seine nichtswürdige Natur, zu bezeugen, damit sie mir helfen mögten,  Ihn zu lieben, zu loben, und Ihm in alle Ewigkeit zu danken“. Hernach fügte sie noch hinzu:“ O wie werde ich so vergnügt sterben, und welche eine Freude wird es mir sein, wenn ich wissen werde, dass in Ansehung meiner, meine Liebe und mein Alles noch könnte geliebet und geehrt werden!“

            „Als ich sie solchen Sinnes zu sein sah, trug ich weiter keine Bedenken, ihr zu melden, dass ihr Verlangen schon zum Teil erfüllt wäre; und hierauf las ich ihr das, was ich geschrieben hatte, vor. Von der Zeit an, habe ich ihr die Kapitel, so wie ich sie geschrieben, allezeit vorgelesen, um nichts zu schreiben, was nicht in allen Stücken der Wahrheit gemäß wäre; und sie war hierin so sorgfältig, dass sie es mir alsbald sagte, wo ich auch nur das geringste anders geschrieben hatte, als sie es erfahren. Aber durch die Gnade Gottes, hat solches nicht oft geschehen dürfen; denn mein Schreiben war der Wahrheit so gemäß, dass sie sich selbst darüber wunderte, und sagte, wenn sie selbst den Zustand ihrer Seelen hätte beschreiben können, würde sie es nicht deutlicher und wahrhaftiger zu tun vermocht haben.“ Sehet den Ursprung dieser Lebensbeschreibung, und zugleich den unwidersprechlichen Beweis  von der unverfälschten Wahrheit ihres Inhalts.

            Wollte jemand das Verfahren der Armelle hierin missbilligen, der erwäge den Zustand, in welchem diese glückselige Kreatur zu der Zeit war, vernichtiget in ihr selbst, verloren in Gott.  Er erwog die Exempel vieler voriger Heiligen, eines Davids, eines Pauli, einer Gertrudis, einer Angela von Foligni, u.v.m. welche, durch Gottes Geist getrieben, die hohen Gnaden, ihnen von Gott erwiesen, schriftlich nachgelassen zu haben .

           Zweimal ist dieses Leben, unter dem Titel „Triumph der göttlichen Liebe“ zu Paris gedruckt worden, aber nicht ohne Fehler. Der Herr Poiret hat es aufs neue in diesen Landen bekannt gemacht, durch eine saubere Herausgabe, welche zu  Amsterdam 1704 herausgekommen, und hat ihr diesen Titel gegeben: „ Die Schule der reinen Liebe Gottes“, weil er glaubte, dieser Titel würde dienlicher sein, ein Verlangen zur Lesung des Buches zu erwecken; hat auch zu dem Ende, in einer erbaulichen Vorrede, alle seine Mitgelehrten zur Schule gerufen, zu dieser armen Bauernmagd, die weder lesen noch schreiben konnte. Es steht zu befürchten, dass sich wenige dergleichen Schüler werden eingefunden haben. Die großen Meister in Israel werden so leicht keine Kinder. Inzwischen muss dieses Buch in unserem Deutschland doch Liebhaber gefunden haben, indem die deutsche Übersetzung schon dreimal, nämlich 1708, 1719 und neulich 1731 aufgelegt worden ist.

            Der einzelne Bogen, den man vom täglichen Wandel der Armelle mehrmals  wieder aufgelegt hat, wollte manchem, nicht ohne Ursache, zu kurz fallen; wie hingegen andere über die Weitläufigkeit des ganzen Buches sich beschwert haben. Bei gegenwärtigem Auszug hat man unter beiden das Mittel gehalten. Der tägliche Wandel dieser gottliebenden Seele ist hier im 17. Und 18. Kapitel viel ausführlicher als in jenem Bogen zu finden; da zudem nicht nur ihr äußeres Leben und Sterben, sondern auch vornehmlich die Führung Gottes  über ihre Seele, und die aufeinander folgenden wunderbaren Wirkungen seiner Liebe in derselben in diesem Auszuge angeführt werden.

            Die bewährten Zeugnisse von der Heiligkeit dieser Person, und von der Wahrheit dieser Geschichte, stehen bei den Ausgaben der vollständigen Lebensbeschreibung in großer Menge vorgedruckt, und können dort nachgelesen werden. Der bekannte Rigoleve nennt  unsere Armelle eine Kohle des Heiligtums; der berühmte Guiloré nennt sie ein lebendiges Schauspiel und Marterbild der Liebe; Vencent Huby, ihr Führer, schreibt: „ Ich habe das Glück gehabt, diese vortreffliche Seele an die 30 Jahre zu kennen, und ihr zu dienen; sie war in Wahrheit ein Seraphim auf Erden usw.“

            „Menschliebender Gott, Gott der einfältigen Seelen, Gott der heiligen Armelle, berühre unsere eiskalten Herzen mit dieser Kohle des Heiligtums, damit wir endlich einmal mit Nachdruck erkennen, und nicht vergessen, dass Dich liebhaben besser sei denn alles Wissen. Verleide uns die magere Heide der Vernunfts-Geschäftigkeit, auf dass wir Dir, mit dieser Deiner Dienstmagd, folgen mögen in dem einfältigen und geraden Wege des Herzens und der Liebe, und in uns erfüllt werde das Wort deines Mundes: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen, und Wohnung bei ihm machen (Joh. 14,23).

 

Der Markgraf von Renty oder Monsieur v. Renty   (1611-1649)

Vorbericht von Gerhard Tersteegen

Geboren in Beni, Niedernormandie im Jahr 1611, als Sohn des Carolo von Renty und der Magdalena von Patoureau.

Die göttliche Weisheit, welche von einem äußersten Ende bis zum anderen gewaltiglich reicht, geht umher bei den niedrigsten Ständen, und gibt sich ein in die heilige Seele einer armen, ungelehrten Bäuerin und Dienstmagd, und ihres gleichen, und verlässt sie nicht, bis sie ihnen zubringt Zepter und Königreich; wie wir es an dem Beispiel der guten Armelle gesehen. Es hat aber dieser unparteiischen Weisheit von oben, der Eingang in die Paläste noch nie so gar versperrt werden können, dass nicht auch in den höchsten Ständen, wo nicht viele, doch wenigstens etliche gefunden, die sich mit ihr standesmäßig befreundet und vermählet haben; wie Monsieur Renty, ein hochadeliger Marggraf und kluger Staatsrat des Königs in Frankreich, mit seinem Beispiel in folgender Geschichte beweisen soll.

                Das Leben dieses Mannes hat zuerst beschrieben der Pater St. Jurius, Soc.J. ein frommer, gelehrter und durch verschiedene Schriften bekannter Autor, welchem, weil er der Seelenführer des Renty gewesen, nicht nur dessen Wandel und innere Beschaffenheit besser als keinem anderen bekannt war, sondern der auch dessen Handschriften und Briefe, als unverwerfliche Urkunden  in Händen hatte. Und es war nicht zu vermuten, dass etwas in dieser Geschichte groß gemacht sein sollte; dass aber vielmehr gewiss ist, dass beide, Renty und St. Jurius ,das Beste vor uns verborgen hielten, jener aus Demut, dieser aber aus allzu großer Vorsichtigkeit.

                Es wurde diese Lebensbeschreibung zu Paris, bald nach dem Tode des Renty gedruckt, von unzählbaren Augenzeugen gelesen, und wohl 8 oder 10 mal wieder aufgelegt, bis es auch endlich in Amsterdam 1701 der Herr Poiret herausgab unter dem neuen Titel: Le Chretien Réel, & C. , aus welcher schönen Edition dieser Auszug verdeutscht ist, bei welchem man (wie bei den übrigen Lebensbeschreibungen) die Worte auch dieses Heiligen möglichst beibehalten, und selbige am Rande mit dem gewöhnlichen Zeichen  versehen hat, zumal da die eigene Schreibart desselben nett, gründlich und erbaulich ist.

                Ganz Frankreich hat dieses hell leuchtende Licht gesehen und bewundert, nämlich einen wahren Heiligen, am Königlichen Hofe, und unter dem Getümmel der Menschen, nicht weniger als in der Kirche und Kammer, ganz ergeben dem inneren Gebet, stets beschäftigt im Dienst am Nächsten zur Ehre Gottes. Man nehme dann doch auch dieses Beispiel zur  Widerlegung des scheinbaren Einwurfes, als wenn das beschauliche oder inwendige Leben (Theologia mystica) der Kirche und der Republik unnütz wäre. Denn zu verschweigen, dass eine einzige solcher Seelen, mit ihrem geheimen Gebet, die Bekehrung der Menschen und das Beste eines Landes mehr befördert, als tausend Andere, die als Säulen angesehen werden. So gefällt es auch bisweilen Gott, diese Engel, welche immerdar das Angesicht ihres himmlischen Vaters anschauen, als dienstbare Geister zugleich auszusenden, zum Dienst derer, die die Seligkeit ererben sollen. Und solche, die dergestalt in die Vereinigung mit Gott gesetzt sind, die tragen Frucht, und ihre Frucht bleibt, da jene, die so große Dinge meinen auszurichten, oft nur alles mehr beflecken und verwirren, wie jener Tag klar machen wird.

                Sowohl in der römisch-katholischen Kirche, als in der protestantischen Kirche sind schon einige Auszüge dieser Geschichte vorhanden (mit Fußnoten benannt). Wir wollen aber außerdem noch einige, wenige Zeugnisse hiermit anfügen, über welche vielleicht einige Leser nachdenken möchten. Der bekannte Bernieres Louvigni sagte: „Mr. Renty war mein vertrauter Freund. Wir hatten eine ganz genaue Verbindung des Gemüts untereinander. Es tut mir Leid, dass ich mir seine Gesellschaft so wenig zunutze gemacht habe. Als er starb, konnte ich mich nicht darüber betrüben. Im Gegenteil war meine Seele durchdrungen von einem guten Geruch, den ich nicht auszudrücken vermag, ja mit einer empfindlichen Freude und gewissen Versicherung seiner Seligkeit“. Das  Urteil des Bischofs Burner ist nicht weniger günstig, da er spricht: „Obgleich sehr viele auf Fabeln acht haben, muss man doch gestehen, das Leben des Mr. von Renty schmeckt nicht danach. Man spürt in demselben so vortreffliche Tugenden, dass man denjenigen, der sie geübt hat, billig unter die größten Vorbilder rechnen muss, welche Frankreich in diesem Jahrhundert hervorgebracht hat.“
Dieser berühmte Mann soll auch dieses Leben ins Englische übersetzt und herausgegeben haben. Joh. Heinrich Reitz sagte:“Der Modechrist wird von Renty sagen, das ist ein phantastischer Heiliger gewesen. Allein, an jenem Tage wird es sich weisen, ob er nicht ein gottgefälliger Mann und ein wahrer heiliger Christ gewesen ist. Doch das Beispiel Jesu, seines Meisters, die Schrift und fast ganz Frankreich und England stehen auf seiner Seite.  Und hier muss ich frei sagen, dass die Werke der Liebe, der Kasteiung, der Demut, der Verleugnung, und mit einem Wort, der wahren Nachfolge Christi, unter der römischen Kirche mehr getrieben werden, als bei uns Protestanten.“ Lese und urteile selbst, lieber Leser, und sehe zu, ob nicht dieses Beispiel vermögend sei, unsere Trägkeit zu beschämen, und einen jeden nach seinen Umständen zum Nacheifern anzureizen, durch die Mitwirkung der Gnade Gottes!

 

Elisabeth Baillou   o. Elisabeth vom Kinde Jesu  ( 1613- 1677)  Vorbericht von Gerhard Tersteegen

Elisabeth ist  am 22. Juli 1613  in Paris geboren. Ihre Eltern waren Claudius Baillou und Dionysia Picard und galten als fromm und wohl begütert.

Eben dasselbe wirksame und beschauliche Leben, welches der Markgraf von Renty am Hofe und unter dem Getümmel der Menschen führte, das hat diese heilige Seele geübt in der Einsamkeit eines Klosters. Denn wie Gott einem jeglichen ausgeteilt hat, und wie der Herr einen jeglichen berufen hat, also soll er wandeln, und wie er berufen ist bei Gott bleiben (1.Kor. 7,17.24).
            Vom Klosterleben ist im Vorwort des Buches  schon einiges erwähnt worden. Sehen wir tiefer auf den eigentlichen Grund und Absicht derjenigen , gottsuchenden Seelen, welche das Klosterleben gebührend antreten, so kann kein verständiger Mensch leugnen, es sei solchen Personen darum zu tun, dass sie in völliger Verleugnung aller vergänglichen und betrüglichen  Schätze, Ehren und Vergnügungen dieser Welt ihre Zeit, Kraft und Andacht gern allein wenden wollen auf die ewigen Dinge und auf das Heil ihrer unsterblichen Seelen. Zu dem Ende entschlagen sie sich aller Bande, Lasten und Sorgen der Dinge dieses Lebens, opfern sich dem Herrn Jesu und seinem Dienst ganz auf, um hinfort nur zu sorgen, wie sie dem Herrn , ihrem wahren Bräutigam gefallen, und heilig sein mögen am Leibe und auch im Geiste. Dass nun dieser Sinn und innere Beschaffenheit ihres Gemüts Gott sehr gefällig sein müsse, und dass Gott dieses ganze Opfer annehmen und genehm halten, ja, was sonst etwa verleugnet wird, mit geistlichem Segen in himmlischen Gütern, hundertfältig ersetzen werde, wer wollte daran zweifeln? Es gibt davon nicht  zu leugnende Beispiele, wovon das Leben der Elisabeth vom Kinde  Jesu eines ist.

            Anfangs ist diese Lebensbeschreibung in französischer Sprache  in Paris im Jahre 1680 durch Dominikanerschwestern herausgegeben worden, in deren Haus diese heilige Seele gelebt und kurz vorher gestorben war. Allein, sie selbst, die Elisabeth, ist durch Regierung des Geistes mehr die Autorin dieses Werkleins gewesen, als diejenigen Personen, welche es zusammen getragen haben. Denn es besteht nicht in einer dürren und ungewissen Erzählung, sondern der größte und wichtigste Teil desselben, sind saftige  Zeugnisse  ihrer eigenen Hand, worin sie an den Tag legt die Lichter der Erfahrungen, so ihr von Gott mitgeteilt worden, und die die Ausgeber fast nur in füglicher Ordnung zusammen gehängt und mit einigen äußeren Umständen ihres Wandels, von dem sie Augenzeugen gewesen, ergänzt  haben.

            Von diesen ihren eigenhändigen Nachrichten der Führungen Gottes über sie, welche sie auf ausdrücklichen Befehl ihres Seelenführers aufgesetzt, würde man ein mehreres mitteilen können, wenn nicht diese demütige Seele, kurz vor ihrem Abschied, alles was sie von dergleichen Schriften finden können, verbrannt hätte aus heiliger Sorge, es könnten die Lichter und Gnaden, deren Gott die ganze Zeit ihres Lebens so reichlich teilhaftig gemacht, nach ihrem Tod bekannt gemacht werden. Daher wollen wir billig diese wenigen, vom Feuer erretteten Übrigen umso sorgfältiger bewahren.

            Es ist diese Person und ihre Lebensbeschreibung ohne Zweifel genügend bestätigt und gelobt, wenn wir sagen, dass der bekannte fromme Pater St. Jurius, der Markgraf von Renty und der Liebe Bernières, ihre vertrauten Seelenfreunde und Seelenführer waren, und dass in dieser Lebenshistorie dieser bewährten Männer Lichter, und verschiedene Stücke ihrer sonst nicht gedruckten Briefe, hin und wieder zu finden gewesen sind. Der Herr Poiret nennt dies Leben ganz gründlich innig und urteilte, es sei in keinem Stück geringer zu achten, als das Leben des Markgrafen von Renty, mit welchem  Urteil man billig übereinstimmen muss.

            Eben dieser Mann (Poiret) hat dieses Werklein im Jahr 1702 in Amsterdam nach erstbenannter Pariser Edition drucken lassen, und dem Leben des Mr. Renty, als zweiten Teil beigefügt und verschiedenes verbessert. Dieser letzten Ausgabe hat man sich bei diesem Auszug und Übersetzung bedient, und (wie bei den übrigen Stücken) meistens auf die innere Führung Gottes über diese Seele geachtet, und ihre eigenen  Zeugnisse davon am liebsten  beibehalten. Sehen wir dieselben  mit ungetrübten Augen an, so müssen wir ja gestehen, dass sie ganz gründlich und gesalbt sind, und ein recht  tapferer, evangelischer und lauterer Geist in dieser heiligen Tochter gewohnt hat.

            Weil die Elisabeth vom Kinde Jesu bis zu ihrem Tod eine besondere Andacht zu dem Geheimnis der Kindheit  Jesu hatte  (wie sogar ihr Name anzeigt), so haben die Herausgeber ihrer Lebensbeschreibung dieselbe diesem göttlichen Kinde widmen wollen. Wir begehren denn ein gleiches zu tun, und schließen mit dem Schluss jener Widmung: „Dir, o allerheiligstes Kindlein Jesu, opfern wir auf, was wir noch von dieser Seele übrig haben. Nimm an diese billige und untertänigste Pflichtabstattung, die wir mit möglichster Ehrerbietung vor dir verrichten. Und weil du unsere Herzen bewogen, dieses Leben deiner treuen Dienerin ans Licht zu geben, so verleihe, dass alle diejenigen, welche es lesen, so in deiner Liebe entzündet werden, dass sie dich ewiglich lieben und verherrlichen! Amen.“

 

 

Maria Guyard   o. Maria von der Menschwerdung   (1599 -1672)

Vorbericht von Gerhard Tersteegen

Maria von der Menschwerdung ist geboren in Tours in Frankreich am 18. Okt. 1599. Ihr Vater war Florentius Guyard und die Mutter Johanna Michelet, welche aus dem Adeligen Geschlecht der Babou stammte.

Die Maria Guyard  ging ins Kloster, als ihr einziger Sohn noch jung war. Einige Jahre danach reiste sie nach Kanada, wo sie noch 33 Jahre lebte, ihres Sohnes Angesicht in dieser Zeit aber nicht wieder gesehen hat. Dieser Sohn ist zwar durch Gottes Gnade, vermittelst der Heiligen Mutter anhaltendem Gebet, von der Welt Eitelkeit zur Erkenntnis und zum Dienst Gottes berufen und hingeführt worden. Da aber die Mutter zu der Zeit schon in Kanada war, so ließ der Sohn nicht nach, die Mutter unaufhörlich mit Briefen anzulaufen, mit Begehren, dass sie ihm die Führung Gottes über ihre Seele, schriftlich, und zu seiner besonderen Erbauung mitteilen möge. Um sie dazu zu bewegen, beschwerte er sich bei ihr, dass sie ihn so jung in der Welt verlassen hätte, so dass er kaum wüßte, dass er eine Mutter gehabt hätte. Damals sei er nicht in der Lage gewesen, ihre Unterweisungen anzunehmen, und würde es demnach gar  was Hartes und Unbilliges sein, wenn sie ihn jetzt, da er eine andere Einsicht hätte, dasjenige auch noch versagen wollte, was ihn so sehr trösten und erbauen könnte. Er bezeugte, dass ihm nichts so sehr zu seiner Beförderung im geistlichen Leben dienen würde, als was er von ihr, seiner Mutter, schriftlich bekommen würde.
            Diese und andere Beweggründe beantwortete die Mutter einige Jahre lang mit Stillschweigen, bis ihr endlich von ihrem Seelenführer befohlen wurde, die Bitte ihres Sohnes  zu gewähren, und ihm  die Nachricht von ihrem Leben zuzuschicken, was sie dann auch  tun musste. Sie hat die allervorsichtigsten Vorkehrungen dabei gebraucht, zu verhüten, dass es niemand, außer ihrem Sohn, je in die Hände bekommen sollte. Und siehe, dies ist der Plan dieser Lebensbeschreibung, welche durch verschiedene Briefe an ihren Sohn , worin sie sich näher und weiter erklärte, wie auch durch einige Berichte  an ihren Führer, seine Ausführlichkeit bekommen hat. Alles dieses nun miteinander, hat der Sohn (welcher ein Benediktiner, gen. Dom. Claude Marrin, wurde) nach der Mutter Tod, in Paris 1677, ans Licht gebracht unter dem Titel: La Vie de la V. Mere Marie de lìncarnation  und hat von dem Seinigen hier und da schöne Sachen hinzugetan. Er hat zwar noch andere Schriften von der Mutter herausgegeben wollen, man hat aber bis dato nichts weiter davon vernommen, nur sind ihre Briefe in Quarto zu Paris zum Vorschein gekommen.

            Ich habe Gott von Herzen gedankt, als ich dieses lange gesuchte, rare und herrliche Leben endlich in des seligen Herrn Poiret Bibliothek gefunden haben und dadurch diesen Sammlungen der Heiligen einen Auszug davon beifügen konnte. Dieser Auszug ist zwar größer als einge der vorhergehenden geworden, allein ich kann zu meiner Entschuldigung sagen, dass mir´s  nicht wenig Mühe gekostet, diesen noch so kurz zu fassen, wie man ihn hier sieht, da ich so viel Schönes habe auslassen müssen. Daher wird denjenigen, die das Buch selbst in Händen haben sollten, dieser Auszug ohne Zweifel noch zu kurz sein, worin ich ihm zustimmen kann. Da es aber sehr rar ist, und dazu in einer fremden Sprache ist, und ein Jeder auch so große Bücher nicht kaufen oder lesen kann, so wird inzwischen dieser Auszug das hungrige Gemüt und begierige Auge vergnügen können, durch gläubige Beschauung und Annehmung der  teuersten Wahrheiten Gottes, und der hohen Wunder seiner Gnade und Liebe, welche er gleichsam mit vollen Händen in dieses gereinigte Gefäß ausgeschüttet, und durch dasselbige unsern Herzen so schmackhaft von den Enden der Erden anpreisen lässt. Man findet hier überall die eigenen Worte dieser in Gott vollendeten Seele, wann je eine auf Erden gewesen ist.

            All diejenigen, so diese heilige Seele gekannt, oder ihre Lebensbeschreibung gelesen haben, geben herrliche Zeugnisse davon. Man kann davon das ganze 19. Kapitel im IV. Buch ihres Lebens nachsehen. Ihr Führer in Kanada, Hieronymus Lallemand, sagte:“  Der Grund ihrer Vereinigung mit Gott ist unverrückt, und sowohl ihr Leben als auch ihr Tod heilig und schön gewesen. Ihr Gedächtnis wird allezeit im Segen bleiben. Ich bin, in allem und überall ihr unnützer Dienstknecht gewesen, und habe mich begnügt, nur einen Zuschauer abzugeben der Werke des Hl. Geistes in ihr, ohne mich (da ich sie in so guter Hand sah) in etwas  einzumengen, aus Furcht, dass ich nicht alles beflecken möge.“

            Der liebe Berniers hielt sie,  neben andern, für eine Theresa der neuen Welt, und ob er wohl mit so vielen heiligen Seelen Gemeinschaft gehabt, so bekannte er dennoch, dass er nimmer eine Person gesehen, die zu einem solchen Grad erhaben gewesen, wie die Mutter von der Menschwerdung. An einem anderen Ort nennt er sie eine große und gründlich tugendhafte Seele, die eine tiefe Demut und eine überschwengliche Liebe hätte, und die wirkliche Vereinigung mit Gott nimmer verlöre, der man den Namen hätte geben können:“ Mein Wille ist in ihr.“ Von dem Leben dieser Heiligen sagt Poiret:“ Es sind in demselben unglaubliche, aber ganz göttliche Beispiele der Absterbung und des allererhabensten geistlichen und mystischen Lebens, wie auch des wirksamen Lebens zum Heil der Seelen zu finden, von anderen Dingen zu schweigen.“ 

 

Gertrud von Sachsen   Vorbericht von Gerhard Tersteegen

Die heilige Gertrud stammte aus dem Geschlecht der Grafen von Hackeborn. Gestorben ist sie im November des Jahres 1330.

Lasst uns mit der Beschauung der Führungen Gottes in seinen Heiligen aus den weit entlegensten Abendländern, einmal zurück kommen in unser Deutsches Vaterland. Denn der Heiland hat seine Erkauften aus jedem Stamm, Sprache, Volk und Geschlecht, die er Gott zu Königen und Priestern macht. Schwerlich ist ein Land, oder Stand, oder eine Zeit zu finden, worin dieses ewige Gut und Lebenslicht nicht ein oder mehrere Zeugen der Wahrheit und ausleuchtende Vorbilder, den Menschen dargestellt, um sie zu Seiner seligen Gemeinschaft aufzufordern und anzulocken.

            Wir  Deutschen müssen gewiss  die Hand auf den Mund  legen und den Herrn rechtfertigen, der uns manche Heilige, auf mehr als einerlei Weise  gegeben hat, obwohl sie jederzeit bei den wenigsten als solche erkannt und angenommen worden sind. Das gegenwärtige Beispiel dieser heiligen Seele, kann uns davon überzeugen, dass Gott schon von alters her über unser liebes Deutschland seine Hand in Gnaden ausgestreckt hat, und sogar in den dunkelsten Zeiten dasselbe, vor anderen Ländern, mit einigen Lichtblicken hat besuchen wollen. Ja er hat es getan, und er tut es noch in diesen unseren Tagen. Mögen wir nur wandeln, weil wir das Licht haben, ehe uns die (durch Sünde und Undankbarkeit verschuldete) Finsternis, seiner geist- und leiblichen Gerichte überfiele. Denn wer weiß, um welcher Ursache willen es durch Göttliches Verhängnis geschehen sei, dass im Jahr 1342, zwölf Jahre nach dem Heimgang dieser Heiligen Gertrud, das Kloster, worin sie gewohnet, beim damaligen Krieg aufs grausamste verwüstet, verbrannt und sonst jämmerlich in ihm gehauset worden ist. Einmal, es mag uns allen zum Nachdenken und Warnung hier erinnert sein.

            Das Leben und die Offenbarungen dieser Seele sind teils von ihr selbst in Lateinischer Sprache, teils von einer vertrauten Freundin, und zwar aus dem Munde der heiligen Gertrud auf Befehl Gottes und der Oberin (wie dabei steht) aufgesetzt worden. Sie wurden oft gedruckt, z.B. Deutsch in Leipzig 1505, und in Köln 1657 und 1674. Ferner Lateinisch unter dem Titel, Infinuationes Divinae pietatis, sowohl in Köln 1579 und 1588, als auch in Salzburg 1662 und Paris, ebenfalls 1662, usw. Die zuletzt erwähnte lateinische Edition zu Paris ist genauer als die vorherige, und man hat sich derselben auch bei diesem kurzen Auszug bedient.

            Noch zu Lebzeiten der Gertrud sind diese Schriften von vielen bewährten, und der heiligen Jungfrau bekannten Männern geprüft und bestätigt worden, wie Lanspergius es namentlich bestätigt, und unter denen ein gewisser Magister, Namens Gottfried Rex durch die Reden der Gertrud kräftig bekehrt worden ist. Das Urteil eines anderen gelehrten Mannes, welches er, nach fleißiger und genauer Lesung dieser Bücher  geschrieben, lautet herrlich: „ Ich halte dafür, dass kein von Gottes Geist Erleuchteter, diejenigen Dinge, die in diesem Buch geschrieben sind, weder verlästern noch bestreiten kann, denn es sind heilige Sachen.“ Der fromme Ludevig Blosius setzt dazu: „Hieraus ist offenbar, wie fern diejenigen noch sind vom Geiste Gottes, welche diese Göttlichen Offenbarungen als Weiberträume verwerfen und verlachen, Gott verzeihe ihnen diese Sünde! „ Nachdem aber diese Person in der Römischen Kirche öffentlich  als eine Heilige erklärt worden ist, so ist unnötig, von ihr weitere Zeugnisse anzuführen. Unter den Protestanten sind diese Sachen meist unbekannt. Inzwischen aber haben sie es genugsam gelobt, als die das Urteil des Herrn Poiret gelten lassen, da der die Person  erleuchtet,  engelgleich , herzlich, ihr Leben aber göttlich genannt hat.

Übrigens verdient die Schutzschrift, welche der bekannte und fromme Lanspergius diesen Büchern voransetzen ließ, in welchen er die gemeinsten Einwürfe widerlegt hat, gelesen zu werden. In dieser gibt er besonders denjenigen, welche die Offenbarungen einen Ekel nennen, weislich zu bedenken:“ dass ja auch die heiligen Schriften voller Offenbarungen sind, und müsste einem deswegen der Name von Offenbarungen so fremd nicht sein, es wäre denn, dass man lieber unter diejenigen gezählt werden will, welchen der Vater seine Geheimnisse verborgen, nämlich unter die Weisen und Klugen dieser Welt, als unter die Unmündigen, denen er diese Dinge offenbart hat. Aber wahrlich, ich fürchte, dass wenige dergleichen Unmündige in diesen Tagen sein werden“.

            Dass bei solchen Sachen Vorsicht und Prüfung der Geister nötig sei, dass aus außerordentlichen Gaben kein unfehlbarer Schluss von Heiligkeit einer Person folge, sondern vielmehr aus der Heiligkeit der Person, von der Richtigkeit der Offenbarungen zu schließen sei, dass man auch weder dergleichen, noch einige andere außerordentliche Dinge begehren müsse, solches gesteht man ein, und ist von allen erleuchteten Seelen gewarnt worden. Allein, wer will dessen ungeachtet des Höchsten  Hände binden, dass Er nicht, zur Offenbarung seiner mannigfaltigen Weisheit und Menschenfreundlichkeit, sich auf alle Weise zu seinen abgewichenen Geschöpfen herunter lasse, damit ein jeder nach seiner Fähigkeit und Art gezogen, unterwiesen und zur Gemeinschaft mit Gott hingeführt werden möge. Zudem, so darf so viel weniger einiger Skrupel stattfinden, da sie von keinen zukünftigen oder zweifelhaften Dingen handeln, sondern von solchen Sachen, welche Gott verherrlichend, den Menschen heilsam und demnach aller Annehmung wert sind.

            Es wird merkwürdig erzählt, auf welche Weise die heilige Gertrud zur Bekanntmachung ihrer Bücher genötigt worden ist. Als es ihr angedeutet worden ist, es sei der Wille Gottes, dass diese Schriften den Menschen bekannt würden, und sie sich auch so kräftig im Geiste dazu angetrieben fühlte, da habe sie sich gewundert, und in ihrem Gemüte gedacht, wozu solches doch nutzen könnte? Denn sie hatte sich stets vorgenommen, bei ihrem Leben keine Schriften bekannt zu machen, und nach ihrem Tode könnten auch die Gemüter nur dadurch verwirrt werden, weil sie wohl wusste, dass manche nicht alleine keine Erbauung daraus schöpfen, sondern es gar gering achten und verlästern würden. Da sei ihr von Gott geantwortet worden: Was meinst du denn, es nutze was man liest, dass ich den Apostel Johannes besucht und mit ihm geredet habe, als nur, dass dadurch die Andacht derer, die es hören, vermehret, und meine Liebe zum menschlichen Geschlecht offenbart wurde; also kann ja auch die Andacht in einigen entzündet werden, und ihr Leben bessern. Ebenso kann ja auch die Andacht in einigen entzündet werden, wenn sie das lesen, was du von mir empfangen hast, dass sie auch danach begierig werden, und ihr Leben bessern. Ich habe dergestalt meine Gnade in dich gelegt, dass ich viel Frucht davon fordern werde. Wollen aber einige aus boshaften Herzen diese Dinge verlästern, deren Sünde sei über ihrem Haupte, du aber wirst unschuldig bleiben.

            Es steht einem jeden frei, diese Sachen entweder mit  einfältigen Kinderaugen anzusehen. So hat er seinen Nutzen, dass seine Seele genährt, und Gott gepriesen werde - oder aber mit einem argen ungläubigen Herzen, und davon bekommt er aufs wenigste keinen Nutzen, noch Gott einige Ehre, denn wie jener Kirchenlehrer spricht: Die Gläubigen finden allezeit  etwas, woran sie zweifeln könnten, und die Ungläubigen etwas, das sie glauben könnten. Deshalb wird mit Recht den Gläubigen für ihren Glauben die Krone, und den Ungläubigen für Ihren Unglauben das Gericht gegeben.

Ende des ersten Bandes.

 

 

BAND II

 

 

Theresa  von Avila  (Theresa von Jesu)  1515 - 1582         Vorbericht von Gerhard Tersteegen
 

Teresa Sánchez de Cepeda y Ahumada wurde als drittes von zwölf Kindern in einer adligen Familie am 28.3. 1515 geboren; ihr Vater war als Jude geboren und 1485 mit seiner Familie zum Christentum konvertiert.

Es ist höchst zu verwundern, und nicht ohne Anregung einer höheren Hand geschehen, daß um die Zeit, wie diese heilige Seele gelebet, ein so gewaltiger Trieb und Geburts-Arbeit, zu einer Erneuerung und Verbesserung der Kirchen, an allen Orten, und fast in allen Gemütern, sich geäußert habe. Ob und wieweit es aber ein jeder am rechten Ende angegriffen, und zum erwünschten Ziel geführet, solches läßt man dem Herrn des Hauses selbst zu entscheiden über; einmal ist es gewiß, daß die heilige Theresa und ihr Gehülfe Joh. vom Kreuz, nicht unter die geringsten zu zählen sind, welche damals, durch ihr Leben, Handel, und Schriften, zur gründlichen Reformation der Kirchen etwas beigetragen haben, wer mit einem freien und erleuchteten Gemüt die ganze Beschaffenheit der Sachen einsehen kann, wird hierin gerne Beifall geben.

Sie legten die Axt dem Baum an die Wurzel, führten die Seelen mit Wort und Exempel ein, in die wirkliche Absagung der Welt und ihrer selbst, und in die herzliche reine Liebe zu Gott, durch den Weg des inwendigen Gebets, wodurch allem Verderben gesteuret, und eine reelle Verbesserung in den Seelen ausgewirket, auch dem ganzen verderbten Geschlecht ein Licht aufgestecket wurde. Durch das Leben und die Schriften oben genannter beider Heiligen, ist sonderlich das Licht in den innern Wegen des Christentums wieder durchgebrochen, auch die Übung des stetigen Herzensgebets, fürnemlich in den Klöstern, wiederum in Schwange gekommen.

Ob nun zwar nach der Zeit, wie bei andern Verbesserungen auch geschehen, alles fast wieder in die alte Falte sich geleget; so haben doch unzählig viel hungrige Gemüther eine gesunde Nahrung in diesen Schriften gesuchet und auch gefunden: wie dann schon aus der Menge derer Editionen und Übersetzungen, die Hochachtung dieser Sachen unter so vielen Nationen zu ersehen, da der Theresa Schriften, in Spanischer, also auch in Lateinischer, Italienischer, Polnischer, Niederländischer, Französischer und Deutscher Sprache, mehrmals gedruckt worden; wie dann noch unlängst 1730 die dritte Deutsche Edition zu Köln heraus gekommen ist.

Es hat die Theresa, auf ausdrücklichen Befehl ihres Seelenführer, den größten Teil ihres Lebens selbst beschrieben; in welchem überall ihre Einfalt und Redlichkeit dermaßen hervor leuchtet, daß man daher allein von der Wahrheit des Inhalts genugsam könnte überwiesen werden, wo sonst keine überflüssige Zeugnisse vorhanden wären. Sie schmücket ihre Sachen keineswegs aus, sondern erzählet das Geschehene oder erfahrene eigentlich und ausführlich; aber dergestalt, daß der Ekel an der Weitläufigkeit leicht wieder vertrieben wird, durch die Herzlichkeit ihrer Schreibart. Es ist nicht eine bloße und dürre Historie, sondern man findet darin, die beweglichsten Vorstellungen von der Eitelkeit der Welt, von der wahren Demut, von der Liebe Gottes, und sonderlich von den verschiedenen Arten des Inwendigen Gebets, und der unaussprechlichen Gnaden, welche seine Göttliche Majestät einer Seele auf diesem Wege mitzuteilen pfleget: welches alles sie aus ihrer eigenen Erfahrung offenherzig erkläret.

Dieser Auszug ist zwar geschehen aus der neuesten deutschen Edition; man hat aber auch andere, nämlich die Lateinische und Niederländische mit zur Hand gehabt, damit man den Sinn der Autorin desto eigentlicher und nachdrücklicher möge geben können. Es ist zwar auch ein Auszug dieses Lebens, unterm Namen des Herrn G. Arnolds, denen Leben der Gläubigen mit einverleibt worden; man hat sich aber danach nicht richten können, weil man glaubte, es würde dem Leser angenehmer sein, wenn man diese Heilige selbst, mit ihren eigenen unveränderten Worten, redend einführete, als wenn man auch noch so treulich deren Sinn hätte ausdrücken wollen. Zu geschweigen, daß jener Auszug nur bis ins Jahr 1562 reichet, dieser aber, aus der Theresa Buch, von den Klosterstiftungen, und aus des Francisci Ribera, Leben der Theresa (Lyon 1620), bis auf ihren Tod ausgeführet wird, welcher sich erst im Jahr 1582 zugetragen. Wie man dann auch sonst aus Ribera, der ein bekannter Freund der Theresa gewesen, bisweilen eins und anderes allhier mit eingefüget hat.

Ob nun zwar diese heilige Seele viele Widersprüche und schwere Verfolgungen von den lieben ihrigen erlitten, sowohl bei ihrem Leben, als auch in etwas nach ihrem Tode, so hat sich's doch bald dermaßen geändert, daß auch manche, die den größten Verdacht auf sie hatten, nachdem sie ihren Geist und Wandel aufs genaueste geprüfet, ihre größten Verteidiger geworden sind; so daß man von ihrem Leben und sonderbaren Heiligkeit eine unglaubliche Menge unverwerflicher Augenzeugen und Zeugnisse anführen, ja ein ganzes Buch damit füllen könnte; da aber selbige großen theils von ihren Werken zu lesen sind, die Theresa auch öffentlich für eine Heilige erkläret worden, so würde es ganz überflüssig sein, aus der Röm. Katholischen Kirchen einige Approbationes allhier beizubringen.

Nur ein paar Zeugnisse von den Protestanten auszuweisen: so verteidigt ein neuer Autor die Theresa, und nennet sie, eine nach der Natur und nach der Gnade sehr verständige, und in dem geistlichen Leben durch und durch geübte Seele. Der Herr D. Anton, Professor zu Halle, spricht von den Werken der Theresa in einem öffentlichen Collegio, also:“ Diese Opera sind nicht frei von allerei Devotionibus particularibus Rom. Ecclesiae, hingegen aber sind auch viele herrliche Wahrheiten, ja Hauptwahrheiten darinnen. Sie hat doch geradezu auf Gott gedrungen, und ist über die andere Particulara des Aberglaubens weggeflogen, davor kann man Gott nicht genug danken. Indes hat sie kläglich von uns geschrieben, ex hypothesi wie sie es gewußt und gehöret; doch aber ist ihr Christliches Herz wohl zu erkennen, wie sie immer vor uns gebätet usw“.

Gottfried Arnold hat nicht nur (besagter maßen) einen Auszug ihres Lebens heraus gegeben, sondern er erkennet auch in Ihr einen teuren Grund der Demut und herzliche Einfalt. Sie habe zur Ihrer Zeit als ein guter Geruch Christi sich ausgebreitet, und manche Seele dem Herrn zugeführet. Er recommendiret zur Nachfolge an, ds Exempel der Demut, welche in einem so reichen Maß in dieser Person gewohnet habe, zusammen ihrem weltverschmähendem Wandel. Aus ihren Schriften könne man deutlicher vernehmen, sowohl die Lauterkeit ihres Sinnes in dem Dienste Gottes als auch ihre übrige Erfahrung in den Wegen des Herrn. Nachdem eben dieser Mann, in einem andern Buche (Hist. Der Myst. Theologie Kap. 23) eine Menge Approbationes anderer  angeführet, zeiget er die Summa und den Charakter ihres Vortrags folgender Gestalt kürzlich an:“ Sie hat diejenige mystische Lehre auf eine innige Art der Liebe und des Gebets vorgetragen, welche von andern meist nach einer Schulmethode gelehret wird. Denn ob sie gleich nicht ohne gute Ordnung ihre Sachen beschreibet, so affectiret sie doch dabei keine Kunst, sondern redet aus lauter Bewegung des Herzens, durch Erfahrung inbrünstiger Liebe, Insonderheit aber dringet sie auf das inwendige stete Gebet, und noch mehr auf solch natürlich Verlangen und Stöhnen nach Gott, durch welches die Seele mit Ihm vereiniget wird; damit man also unendlicher und unaussprechlicher Gnaden gewürdiget und in der Liebe befestiget werde. Hierzu suchet die Autorin überall das Herz gewaltig zu erwecken, und von seiner natürlichen Härtigkeit zu erweichen, zu steter Liebe Gottes, und tiefer Anbetung und Verehrung über dessen unendliche Kraft u.s.w.“ P. Poiret lobet und recommendiret die Theresa hin und wieder in seinen Schriften, und hat sie an unten angewiesenen letzten Ort, als eine heilige und reine Seele verteidigt, wider die unverschämten Lügen eines armen Lästerers.

Es rufe ein jeder von uns den Vater selbst um den Geist der Prüfung an; und lese sodann diese Geschichte, mit einem demütigen und gehorsamen Herzen, so wird es keineswegs ohne Erquickung und Erbauung seiner Seelen abgehen. 

 

 

Anna Garcias  genannt von Bartholomae         (1549 -1626)  Vorbericht von Gerhard Tersteegen

Anna Garcias wurde am 1. Oktober 1549 eine halbe Meile von der Stadt Ubalda in Kastilien geboren. Der Vater war Fernandus Garcias und die Mutter hieß Maria Mancanas.

Da wir bei Fortsetzung dieser gottseligen Lebensläufe abermals eine einfältige Weibsperson zum Vorschein bringen, und danach noch mehrere dergleichen Exempel werden folgen lassen: so möge es fast für nötig angesehen werden, daß man dem Einwurf derjenigen einmal begegnete, welche aus unbescheidener Geringachtung dieses Geschlechts, so fertig sind für verdächtig auszuschreien und mit Ekel von sich zu schieben, was ihnen nur von derselben Gottseligkeit oder Zeugnissen vorkommen mag: wodurch dann auch blöde Gemüter in ihrer Erbauung  können irre gemacht werden. Weil aber dieser Einwurf und Skrupel schon von vielen gottseligen und gelehrten Männern mit der Waage des Heiligtums gewogen und wiederlegt worden, als achtet man es für überflüssig allhier den Raum damit einzunehmen. Es gilt in Christo weder Mann noch Weib, sondern sie sind alle einer in Ihm. Er hat sich einem samaritischen Weibe, einer Maria Magdalena näher bekannt und gemeinsam machen wollen als den Schriftgelehrten und anderen Männern. In den Märtyrergeschichten hat der Weiber Tapferkeit vielfältig  gleichen Ruhm mit der Beständigkeit der mutigsten Streiter Christi. Zu jeder Zeit und an allen Orten haben die weiblichen Personen nicht den geringsten Teil ausgemacht in den Versammlungen der Frommen.

Fragt man nach der Ursache, so liegt der Bescheid aus des Apostels Worten am Tage:  „Was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählet, daß Er zu Schanden mache, was stark ist  usw.“ (1.Kor. 1,27)
Wobei mir auch die Gedanken eines neuen und gründlicheren Autor nicht mißfallen, wenn er spricht:“ Gott wird nimmer aufhören die Schmach zu rächen, welche der Teufel dem weiblichen Geschlechte zugefüget hat; und Er wird, so lang die Welt stehet, sich dieses Geschlechts bedienen, um große Werke der Gnaden auszuführen; und zu jeder Zeit eine oder andere Weibsperson zu einer sonderbaren Heiligkeit und Gottseligkeit zu erheben, damit er nicht aufhöre durch selbige den Teufel zuschanden zu machen….“ (aus Art de Vivre heureux  Kap.7, S. 108.)

Doch man wird hoffentlich in denen Exempeln, welche in diesen Lebensbeschreibungen vorkommen, so viel Grund der ungefärbten Wahrheit und Gottseligkeit antreffen, daß nicht nötig sein wird auf dieser Materie stehen zu bleiben. Sehet nur hier, in diesem vorhabendem Exempel, eine schlechte Bauerndirne von Geburt, deren Taten und Worte zu vernehmen uns weder Schade noch Schande sein wird, zumal der König des Himmels sie seines familiären Umgangs und Gemeinschaft gewürdiget hat. Sehet, das Bild Jesu in ihr: ihre brünstige Liebe zu Gott und zu den Nächsten, ihren Glauben, ihre Geduld, ihre Demut, Unschuld, Verleugnung, Dienstfertigkeit, und andere Tugenden, die sie bei aller Gelegenheit geübet; und wovon sie uns allhier ihre Lektionen so kindlich erzählet.. Noch eins, sehet, wie Gott das Verachtete erwählet und erhöhet; in ihrer Kindheit hütet sie die Schafe in ihres Vaters Haus, in ihrer Jugend lebet sie wie eine geringe Layschwester, in einem armen verhaßten Kloster in  Spanien; sie wird berufen nach Frankreich, und von dannen in die benachbarte Niederlande.

Überall richtet sie Klöster auf, und wird eine Mutter vieler Kinder, die sie für Christo gewinnet; sie fliehet alles Ansehen, wird aber wider ihr Suchen berühmt an allen Orten, so daß auch Könige, Herzöge und Fürsten sich glücklich schätzen sie zu kennen, und sich ihrem Gebet empfohlen haben. Also daß Gott nach dem Buchstaben zu ihr hat können sagen, was Er ehemals zu David sprach: “Ich habe dich genommen von den Schafhürden, daß du sein solltest ein Führer über mein Volk. Ich bin mit dir gewesen, wo du hingezogen bist, und habe deine Feinde vor dir ausgerottet, und habe dir einen großen Namen gemacht, wie der Name der großen auf Erden“ (Sam. 6,8.9).

Es ist dieses Leben von der Anna selbst, nebst einigen Diseursen,  spanisch geschrieben worden, auf Befehl ihres Seelenführers; und sowohl in französischer als niederländischer Sprache mehrmals herausgekommen; bis es 1669 auch in deutscher Sprache zu Köln gedruckt worden, und zwar vermehret mit einem sonderlichen Traktat, von den vortrefflichen Tugenden  und Gnaden der Mutter Anna´s, den ein anderer französisch beschrieben, und dann auch mit einer Beschreibung von dem Leben und Tugenden zwanzig ihrer geistlichen Töchter, worin auch noch viel Gutes zu finden ist.

Dieses letztere Stück hat man in diesem Auszug ganz unberührt liegen lassen, und nur aus dem Übrigen, so viel der Raum zugelassen, das wichtigste hier eingedrücket. Daß man also, fast bis zu Ende, nur die ungeschmückte eigene Erzählung dieser frommen Seele selbst finden wird; wobei überall die demütige Aufrichtigkeit der Autorin in die Augen leuchtet, und beides von der Leutseligkeit Gottes, und von ihrem unschuldigen treuen Wandel in dessen Gemeinsamkeit, ein artiges Zeugnis gibt. Gebe der Herr, daß es tief in unsere Herzen fallen und bekleiden möge.

Die heilige Theresa pflegte öfters von unserer Anna zu sagen: Ich habe den Namen einer Heiligen, aber sie hat die Taten einer Heiligen.

Der wegen seiner Klugheit und Gottseligkeit berühmte Hieronymus Gratianus, zu dessen Lob die Theresa in ihren Klosterstiftungen vieles erzählet, selbiger hat den Geist, Führung und übernatürliche Gaben dieser Anna untersuchtet und bewährt erfunden, wie er dann einen eigenen Traktat in fünf Gesprächen bestehend, davon ausgesetzt hat.  Daß er aber diese seine Untersuchung wohlbedächtig und mit gebührender Vorsichtigkeit vorgenommen, zeiget er, in der Vorrede solcher Gespräche, unter anderem mit folgenden Worten an: „ Unser Amt ist, daß wir, gleich den Goldschmieden, den Probierstein der heilgen Schrift zur Hand haben. Und deswegen ist es sehr wohl getan, wann in einer Seele, die sich dem Gebet ergiebet, etwa ein Stücklein Goldes einer übernatürlichen Erfahrung oder Geistes sich befindet, daß sie solches uns zu Händen bringe; damit wir untersuchen, ob es ein wahres oder falsches Gold, und wie schwer es am Gewicht sei; damit sie nicht betrogen werde von dem, der sich in einen Engel des Lichts zu verstellen pfleget, und für lauter Gold halte, was nur ein falsches Metall ist, und auch damit wir von dem, so sie uns sagen, Gefäße machen, die auch andern zu Nutze kommen…… Dieser Ursachen wegen, hab ich es für gut angesehen, inständig zu begehren und stark darauf zu dringen, daß die Mutter Anna mir einige Sachen ihres Geistes entdecken mögte: denn ob ich wohl viele Dinge weiss, weil es mehr als 48 Jahre sind, dass ich ihrer, und der heiligen Theresa Beichte  gehöret, so hab ich sie dennoch von neuem zu examinieren dienlich erachtet  u.s.w „.

 

Bruder Lorenz  von der Auferstehung   (1611-1691)   Vorbericht von Gerhard Tersteegen

Vor Aufnahme in das Karmeliterkloster in Paris, war der bürgerliche Name des in Hermini in Lorthringen/Frankreich  geborenen Bruder Lorenz, Nikolas Herman (Einfügung).

„Was hier unter dem Namen einer Lebensbeschreibung Bruder Laurentii (Laurentius)von der Auferstehung mitgeteilet wird, ist zum Teil schon 1691 zu Paris, sofort nach dessen seligem Absterben herausgegeben worden. Teils aber 1694, auf Befehl des Bischofs von Chalon (welcher danach der gnugsam bekannte Cardinal de Noailles geworden) ans Licht gekommen. Der Autor von dem letzteren, und wie man nicht zweifelt, auch von allem Übrigen, ist gewesen Mr. De Beaufort, Groß-Vicarius des obgemeldeten Bischofs, welcher nicht nur ein guter Freund unseres Laurentii gewesen, sondern auch die allhier Kap. VII angeführte Gespräche aus dessen Munde gehöret, und aufgezeichnet hat.

Der größte und wichtigste Teil dieser Sachen ist denen ersteren Editionen derer Werklein der Mad. Guion, beides in französischer (1699) und in deutscher Sprache (1700, 1706) angehänget worden, in denen neueren aber sind sie weggelassen worden. Allein sie sind Französisch im Jahr 1710 insgesamt und aparte zu Amsterdam gedruckt, unter dem Namen der Theologie der Gegenwart Gottes; und zwar um die Hälfte vergrößert, mit einem erbaulichen Traktat des Herrn Poiret von der Wichtigkeit und Nutzbarkeit der Übung der Gegenwart Gottes, welcher Traktat (samt der noch nicht gedruckten Vermehrung des Autoris) aufs neue ediret, und auch ins Deutsche aufs neue übersetzet zu werden verdienete, weil die Deutsche Edition 1714 gewiß wenig nützet.

Es sind diese  von dem Bruder Lorenz nachgelassene Sachen nicht nur in der Röm.-Katholischen Kirche mit Approbation gedruckt, und mit Begierde aufgenommen worden; sondern auch von den Protestanten geliebet und angepriesen worden: G. Arnold hat die Lobrede von dem einfältigen Glaubens-und Liebeswandel des Bruder Lorenz seinem  „Leben der Gläubigen“ mit angehänget. J.S. Reitz, der auch diese Lebensgeschichte kürzlich anführet, nennet diese Werklein voller Salbung des Heiligen Geistes, und spricht weiter: „ Diese Historie ist so vortrefflich, daß kein Mensch, es sei denn ein recht blinder Eiferer und Sektierer, es verübeln kann, daß sie hierher gesetzet worden“. P. Poiret, der wie gelehrt er auch gewesen, allewege mit sonderbarer Vergnügung in unserm Br. Lorenz zu lesen pflegte, sagt:“ Die Methode des Br. Laurentii ist eine der vortrefflichsten, die man finden mag, so wohl wegen ihrer Einfalt und weil sie aufs Herz gehet, als auch wegen ihrer Leichtigkeit und großen Gründlichkeit, usw“.

In gegenwärtiger Lebensbeschreibung und Anhang wird der Leser alles, was eigentlich von dem Bruder Lorenz vorhanden ist, und sonst unter den verschiedenen Titeln, einer Lobrede, der Gespräche, der Grundregeln, und der Briefe gesehen worden, beisammen finden; und also die ganze Theologie der Gegenwart Gottes, uns allen zur seligen Nachfolge vorgestellt und angepriesen.

Es ist unter allen gottseligen Übungen keine allgemeiner, einfältiger, süßer, nützlicher und welche mehr die ganze Summa der christlichen Pflichten in ein glückseliges Eines verfasset, als die Übung der liebreichen Gegenwart Gottes; nach dem Geständnis aller Heiligen, darin sind Henoch, Noah, Abraham, David, Joseph, und unser Heiland selbst uns vorangegangen und bezeugen es alle Frommen, es sei ihnen gut, daß sie sich nahe bei Gott halten (Ps. 73,28).

Es bestehet aber diese Übung kürzlich darin:
Daß wir einfältig und andächtiglich glauben, daß Gott überall, und auch in unsern Herzen gegenwärtig sei.
Daß ER zu dem Ende bei uns und in uns gegenwärtig sei, damit wir Ihn daselbst anbeten, lieben und dienen sollen, gleichwie ER sich uns daselbst gerne mitteilen, und seine Lust in uns haben will.
Daß wir uns demnach dieser Wahrheit des Glaubens öfters auf eine herzliche Weise erinnern, und uns als bei Gott, vor Gott, und in seiner Gegenwart seiende ansehen.
Daß wir diesen unsern gegenwärtigen Gott mit unsern Herzen anbeten, verherrlichen, lieben, und uns Ihm ganz übergeben.
 Daß wir alles trachten zu tun, zu verleugnen und zu leiden, in einem saften und stillen Geist, als in seiner Gesellschaft, nach seinem liebsten Willen, Ihm zu Lieb und Ehren.
 Daß wir uns  auf eine liebreiche und stumme Weise mit Gott unterreden in unserm Herzen, und uns mit Ihm gemeinsam machen, als mit unserm liebsten und besten Freunde. Und zwar zu aller Zeit, und bei allem was uns innerlich oder äußerlich vorkommt, es sei Gutes und Böses.
Daß wir auch zu dem Ende, unter unseren Geschäften, nu und dann ein Augenblick stille halten, um durch einen andächtigen Liebesblick auf Gott uns zu stärken, oder zu erneuern in dieser Übung.
Daß wir wahrnehmen und beantworten, die Liebeszüge und Lockungen Gottes in unserm Inwendigen, wodurch ER uns freundlich erinnern, stillen, sammeln, und mit sich vereinigen will. Und endlich,
daß wir nach einer jeglichen Zerstreuung oder Untreue mit demütigem Vertrauen alsbald zu unserer vorigen Übung wiederkehren, wie ein Kind zu seinem lieben Vater.

Sehet doch, was ist einfältiger und leichter zu fassen, als diese süße Lehre von dem Wege unseres Heils, welche unser armer Ley-Bruder Lorenz deutlicher und kürzer beschrieben, als mancher graduirter Doctor in der Theologie nicht würde tun können. Und kein Wunder, denn darin übte er sich zu aller Zeit und an allen Orten, sowohl bei seinen Schüsseln in der Küche, als in der Kirche und Kammer, beides in gesunden Tagen und in Schmerzen und Krankheiten; damit wir auch an diesem Exempel sehen mögten, daß nicht nur sogenannte Geistliche und Klosterleute, sondern ein jeder in seinem Stand und Ort, in der Gegenwart Gottes, durch dessen Gnade, leben könne; ja, daß nichts leichter und lieblicher sei als eben dieses: wer es versucht, der wird es erfahren.

So gewöhne dich dann nun an den Herrn, meine Seele. Die Gesellschaft dieses Freundes sei dir wertvoller und süßer, als die Dinge dieser Welt. Er ist der getreue Freund, der dein Beistand und Trost sein wird in der Stunde deines Todes, wenn dich alle verlassen. Ja, dann wirst du erst recht anfangen der herrlichen und seligen Gegenwart deines Gottes zu genießen, und bei dem Herrn sein alle Wege, Sela! „

Das Gesamtwerk, das der Verleger überarbeiten ließ, hatte den ursprünglichen Titel: "Allzeit in Gottes Gegenwart".
Die
Neufassung des Gesamtwerkes "All meine Gedanken sind bei dir - In Gottes Gegenwart leben", überarbeitet von Reinhard Deichgräber ist hier erhältlich: http://www.neufeld-verlag.de/neufeld/katalog.html

 

Heilige Katharina von Genua   (1447- 1510 ) Vorbericht von Gerhard Tersteegen

Nichts ist schöner, lauterer, anmutiger, mächtiger und vollkommener als die Liebe; denn Gott ist Liebe: durch kein Mittel kann sich Gott des menschlichen Herzens besser bemächtigen, als durch die Liebe, und durch kein Ding kann der Mensch Gott besser gefallen, als durch die Liebe; denn sie ist des Gesetzes Erfüllung. Was durch alle Gestrengheit des Gesetzes, und durch alle Furcht der Strafe nicht hat können, und noch nicht kann bei dem Mensch ausgerichtet werden: das alles ist und wird leichtlich ausgerichtet, wo Gott dem Menschen seine Liebe in Christo Jesu anpreiset, wo ER ihm die Vergebung seiner Sünden, Erlösung und ewiges Heil ankündiget, und ihn aus solchem Grunde zur Buße und Gegenliebe anlocket. Gleichwie nun die Eingeweide der Liebe Gottes, in dem süßen Namen Jesu Immanuel, dem abgewichenen Menschen wiederum eröffnet sind; und noch bis auf diese Stunde dem ärmsten Sünder, wissend oder unwissend, weit offen stehen in seiner Seelen: also ist diese ewige Liebe auch im Grunde unserer Seelen stets geschäftig, sich uns anzubieten und anzupreisen, und auf tausend Arten sich bei uns zu insinuiren und einen Eingang zu suchen, zu unserer ewigen Glückseligkeit; alle im menschlichen Herzen aufsteigende gute Gedanken und Begierden, Traurigkeit und Weh über seine Sünden, Bestrafung und Zurechtweisung, Reizung zum Gebet, zu wahren Glückseligkeit, und gründlichen Übergabe an Gott, und dergleichen mehr sind pure Auswirkungen dieser langmütigen Gottesliebe. Könnte es der ruchloseste Sünder nur den tausendsten Teil erkennen, er würde sich den Augenblick dieser unbegreiflichen Liebe ergeben müssen; ja „ Liebe, zeige dich auch nur von ferne den Sündern, daß Du Liebe seiest, so werden sie Dich alle lieben und dir gerne folgen!“

Geschieht nun dieses, daß sich nemlich der Mensch durch Gottes Güte und Liebe zur Buße ziehen lässt; so glaube er es doch ohne Bedenken, daß auch er, durch keinerlei Werk oder Übung Gott besser und leichter gefallen könne, als durch Liebe: er bewahre und pflege nur wohl das verborgene Fünklein der Liebe Gottes in seinem Herzen, durch herzliches Andenken an Gott, kindlichen Zukehr zu Gott, und einfältige Beschäftigung mit Gott und dessen Vollkommenheiten; er übe sich in der Liebe, aus Liebe zu Gott gebe er sich selbst und sein liebstes dran, und überlasse sich im Glauben dieser reinen Liebe: er erfreue sich, wann er eine gute Gelegenheit hat, etwas zu tun, zu verleugnen oder zu leiden, diesem Gott zu Lieb und Ehren: er gewöhne sich daran, alles was er tut, aus Liebe zu diesem Gott zu tun: alles was ihm begegnet, in Liebe von diesem Gott zu nehmen: alles was er zu leiden, in Liebe um dieses Gottes willen zu ertragen. Alles muß durch die Liebe der Liebe geopfert werden. Durch die Liebe werden die bittersten Leiden süß, die wunderlichsten Begebenheiten gut, die kleinsten Werke groß und göttlich.

Da denke man aber nun nicht eben an eine empfindliche und erquickliche Liebe: Liebe haben und Liebe fühlen ist nicht allezeit beisammen. Die wahre beständige Liebe besteht in einer innigen Hochachtung Gottes, daß wir Ihn als höchst, ja allein liebenswürdig durch den Glauben erkennen; und daher uns selbst ganz, und was in unserer Macht ist, diesem Gott willig aufopfern und überlassen, zu seinem Dienst und Ehren. Diese Liebe, welche der Heilige Geist in unsere Herzen ausgießet, kann bestehen auch mitten in aller Dürre, Dunkelheit, und tiefsten Läuterungswegen, welche eben nichts anders sind als selige Wirkungen der reinen Liebe Gottes. Doch ich vergesse meiner selbst, und halte den begierigen Leser durch meine matte Ausdrucksweise nur auf, dasjenige zu lesen, was eine der heiligsten Seelen, von dieser Liebes=Materie und von andern herrlichen Wahrheiten, auf eine kraft- und saftvolle Weise in ihrem Leben und Schriften bezeugt und bewiesen hat. Lies dann, und werde entzündet!

Das Leben dieser Seele, der Heiligen Katharina von Genua, wovon hier ein Auszug mitgeteilet wird, ist teils von einer ihrer geistlichen Töchter, überwiegend aber von ihrem Beichtvater, aus dem Munde der Heiligen selbst, beschrieben worden, wie solches in dieser Geschichte selbst Kap. 17 umständlicher zu sehen ist. Anfänglich ist es in italienischer Sprache aufgesetzt, und schon vor mehr als hundert Jahren, nemlich 1597, durch die Kartäuser zu Paris, ins Französische übersetzt, und auch mehrmals wieder aufgeleget worden, 1627, 1646, 1667, usw. Die ersten Editionen sind wegen der Sprache etwas undeutlich, und haben viele Worte, die überflüssig scheinen; in der letzten Edition, welche zu Lyon heraus gekommen, hat man beides wollen verbessern, aber im Verändern und Auslassen sich gar zu viel Freiheit genommen, deswegen behält die letzte Edition, so der Herr Poiret unterm Titel der Liebes=Theologie in französischer Sprache herausgegeben, zu Amsterdam 1691, in mehr als einem Stück billig den Vorzug.

Aus welcher Edition dann auch diese kurzgefaßte Lebensbeschreibung ausgefertiget ist; da man aber auch eine der ältesten, 1627, mit zur Hand hatte, so hat man selbiger, wo die Veränderung merklich war, bisweilen lieber folgen wollen, solche Stellen aber mehrenteils mit einem +  gezeichnet. Die Gespräche dieser Heiligen, welche überaus vortrefflich und von ihr selbst beschrieben sind, hat man um so viel weniger in diesem Auszug mit einfließen lassen, da selbige aparte zu Halle 1701 in Deutscher Sprache gedruckt sind, ob man wohl nicht leugnen kann, daß sich der Übersetzer, aus besonderer Absicht, bisweilen zu große Freiheit genommen hat. Weil aber dennoch in dem Leben der Heiligen die Umstände ihrer Bekehrung nur eben berührt, und kein hinlänglicher Begriff von derselben gegeben wird, so hat man solchen Mangel aus ihren Gesprächen allhier in einigen Kapiteln zu ergänzen für ganz notwendig angesehen; da auch sonderlich ihr Rückfall in die Eitelkeiten dieser Welt, so nach ihrer ersten Bekehrung vorgegangen, und von ihr selbst aufrichtig erzählet wird, noch manchen blöden und strauchelnden aufmuntern kann, die Hände der unermüdenden Liebe Gottes getrost wieder zu ergreifen und sich erneuern zu lassen zur doppelten Treue.

Es hat G. Arnold einen Auszug dieses Lebens heraus gegeben; wie man dann auch zu Halle einen noch kürzeren Auszug ihrer verdeutschten Gespräche mit beigefüget hat. Wer sich die Mühe nehmen wollte selbige so wohl dem Original, als auch mit diesem gegenwärtigen Auszug zu conferiren, der würde leicht den merklichen Unterschied gewahr werden; obwohl darum jener Arbeit nicht gering geachtet wird, da ein jeder Autor seine besonderen Absichten hat.
Die Würdigungen und Lobreden dieser Person und Schriften aus dem Römisch-Katholischen zu wiederholen, ist überflüssig, da selbige öffentlich  für eine Heilige erklärt worden ist. Durch oben genannte Editonen und Auszüge von Protestanten, haben auch dieselben diese Person und Sachen genugsam gebilliget; der Raum lässt es nicht zu, weitere Zeugnisse aufzuführen. Der Herr Poiret, welcher kaum glauben will, daß von der Apostel Zeit an, bis auf die Katharina von Genua, etwas Göttlicheres, gründlicheres und erhabeneres gemachet worden, als die Schriften dieser Heiligen, beschließet die Vorrede seiner Ausgabe unter anderem mit diesen Seufzern:

„Oh du unendliche Liebe! Oh anbetungswürdige Dreieinheit, Vater, Urquelle der Liebe; Sohn, liebevolles Licht; Heiliger Geist, lebendige Flamme und heilige Brunst der Liebe! Oh Gott! Der Du lauter reine Liebe bist….. Du bist ein brennendes und verzehrendes Feuer, das alles verzehren muß, was in der reinen Liebe nicht bestehen kann. Ach! Verbrenne in uns durch dein anbetungwürdiges Feuer alles, was deiner Heiligkeit zuwider ist, fange an, setze fort und vollende, allhier in unseren Seelen das große Werk der Reingung und Heiligung, ohne welche niemand dein Angesicht sehen kann. Verleihe uns, O Herr!  Ein wenig von deiner empfindlichen und brünstigen Liebe, um uns aufzuwecken aus unserer Unempfindlichkeit und tödlichen Schlafsucht; und ein wenig Schrecken vor deinen entsetzlichen Gerichten, damit wir bei Zeiten den Irrweg verlassen. Schütte in unsere Herzen aus ein Tröpflein von deiner so mächtigen Liebe, welche die Hölle in ein Paradies verwandeln könnte. Ja, Herr, zünde bald dieses Feuer an auf dem Erdboden, welches anzuzünden Du gekommen bist, und wonach Du so sehr verlangest, daß es abermals brenne! Damit das Reich deiner Liebe auf ewig gegründet werde, und wir in Dir seien, in Einigkeit der Herzen, der Seelen, der Werke, und der Zungen, ein Geist mit Gott, dem Vater, Sohn und Hl. Geist, hoch gepriesen in Ewigkeit! Amen

 

Angele von Foligni    ( gest. 1309)

Das Leben und die Schriften dieser seligen Seele, der Angele von Foligni, sind von ihrem Beichtvater (Franziskaner Arnold) lateinisch beschrieben, und nach der Zeit zu Paris, wie auch zu Köln 1601 gedruckt worden; wie sie dann auch in den Actis Bollandi ad 4.Jan. sich befinden; gleichfalls sind sie italienisch vorhanden, Venedig 1680, wie auch französisch zu Paris, und brabändisch zu Antwerpen 1628 gedruckt; bis sie endlich (weil keine französischen Exemplare mehr zu bekommen) der Herr Poiret, unterm Titel der Theolog. de la Croix, zu Amsterdam 1696 heraus gegeben hat. Ein adeliches Mägdlein zu Madrid, Francisca de los Rios, soll eben diese Schriften, im zwölften Jahr ihres Alters aus dem Lateinischen ins Spanische übersetzt, und 1618 ediret haben.

Wenn man die Form und ordentliche Einrichtung dieser Schriften ansieht, so muss man nicht meinen, es sei in solcher Ordnung (was die Zeit oder was die Materien betrifft) so nacheinander von der Angele selbst oder von ihrem Beichtvater geschrieben worden. Man hatte ein auf Pergament im Jahr 1415 geschriebenes Manuskript zu Hand, so uns ein anderes  lehret. Dieses Manuskript besteht aus verschiedenen Stücken, deren einige ihr Beichtvater aus ihrem Munde aufgesetzt, andere von einer Gesellin der Angele auch aus ihrem Munde aufgeschrieben, und alles hernach durch ihren Beichtvater ihr wieder vorgelesen worden. Wobei noch hinzukommen unterschiedliche eigenhändige Schriften und Briefe der Angele selbst. Aus allen diesen 15 bis 20 Stücken hat man nach der Zeit die Materien zusammen gelesen, und (sonderlich in der letzten franz. Edition) in eine gar fügliche Ordnung gebracht. Nichts desto weniger haben wir gemeldetes Manuskript bei Ausfertigung dieser Lebensbeschreibung fleißig mit gebrauchet, auch verschiedenes aus demselben hin und wieder mit eingefüget, welches noch niemals gedruckt gewesen, das, und wo sonst eine merkliche Veränderung im Manuskript gewesen mit einem * meistens bemerket worden.

Ob nun wohl die Schriften dieser heiligen Seelen vielen ansehnlichen Autoren, so Bücherregister geschrieben, unbekannt gewesen, so sind sie dennoch von vielen anderen mit Ruhm angeführet und angepriesen worden. Thom. à IEsu sagt: Sie sei eine vom göttlichen Licht erleuchtete und erfahrene Person. Ein anderer nennet sie: eine göttliche Beschauerin. Siehe weiter bei Sanaeo, Sales, Gelen, Bona, Rodriguez, Bernieres, Boudon etc.

Aus den Protestanten führe n un an den einzigen Johann Arnd, welcher sich der Schriften der Angele nicht nur für sich selbst wohl zu Nutze gemacht, sondern auch in seinen nicht ohne Ursache berühmten Büchern vom wahren Christentum gar vieles aus denselben, wie aus andern dergleichen Schriften, genommen hat. Zum Beweis dessen will ich verschiedene Kapitel seines zweiten Buchs hierher setzen, auch die Paginas der Theologie de la Croix dabei anführen; ob es etwa einen Durst erwecken mögte, dergleichen klare Bächlein weiter nachzuspüren, die uns zur Quelle des Lebens hinleiten, woraus sie entsprungen sind.( es folgt eine Aufzählung dieser Kapitel)

Es ist billig, und zum Beweis von der Gewissheit dieser Sachen dienlich, dass wir hier einiges anführen, welcher Gestalt diese Sachen anfänglich aufgesetzt, und von dem, wie es dabei dem Autori ergangen. 
Also lautet dessen eigener Bericht:“ Wie diese heilige Weibsperson anfing ihre göttlichen Geheimnisse mir zu entdecken, sagte sie zu mir die allererstaunlichsten und wunderbarlichsten Dinge der Welt; sie brauchte ungewöhnliche, aber nachdrückliche und lichtvolle Worte. Sie war betrübt darüber, dass sie mir die Sachen nicht so entdecken konnte, wie sie selbige erkannte. Bisweilen, wenn ichs aufs beste, als es mir möglich, aufgesetzt, was ich aus ihrem Munde vernommen hatte, und es ihr darnach wieder vorlas, damit sie es, wo ich etwas gefehlet, verbessern mögte; so sagte sie, nicht ohne Verwunderung, sie könnte nichts mehr davon verstehen. Ein andermal sagte sie zu meiner Bestürzung: Ich schriebe ohne Kraft und ohne Geschmack. Ein andermal sagte sie: Euro Worte erinnern mich dessen wohl, was ich gesagt, aber sie sind gar dunkel, und drücken die Sache nicht eigentlich aus, wie ich sie erkenne. Wiederum ein andermal sagte sie: Ihr habt eben das schlechteste geschrieben, und das wichtigste und köstlichste ausgelassen. Welches alles keineswegs daher kam, als wenn ich vorsätzlich etwas verändert hätte, sondern nur weil lich sie meiner Untüchtigkeit wegen nicht genugsam verstehen, oder nicht geschwind genug nachschreiben konnte, was sie sagte, und daher zu meinem großen Leidwesen  vieles auslassen musste.

In jenem aber, was ich geschrieben, hat Gott mir auf eine empfindliche Weise mit seiner Gnade beigestanden, weswegen ich auch mit großem Respekt und Furcht geschrieben, dass ich ja, von Anfang bis zum Ende, kein einziges Wort von dem Meinigen hinzu setzen mögte; hab auch darum lieber ihre eigenen italienischen Redarten im Latein behalten wollen. Allezeit habe ich es ihr wieder vorgelesen, was ich geschrieben, ja bisweilen mehr als einmal, damit ich nicht als ihre eigenen Worte setzen mochte.

Nachdem ich nun alles geschrieben, bat ich diese gläubige Dienerin Jesu Christi, sie möchte doch den Herrn darum anrufen und fragen, ob ich auch etwas was Unrechtes oder Überflüssiges geschrieben, dass er ihr solches anzeigen wolle, usw. Worauf sie antwortete: Ich hab den Herrn schon oftmals darum gebeten, ehe du mir solches gesagt, dass ER mir zu erkennen geben möchte, ob auch ein unwahres Wort, oder was Überflüssiges sei in dem, so ich gesagt, und du geschrieben. Er hat aber geantwortet: Es sei alles wahr, es sei nichts  falsches oder überflüssiges darinnen. Auch sagte er: Ich hätte mich sehr gemäßigt, denn er hatte vieles zu mir gesagt, dass ich`s sagen sollte, so ich doch nicht gesagt hatte; auch sei alles weit vollkommener zu mir gesprochen. Es sagte auch Gott selbst zu mir also: Alles was geschrieben ist, das ist alles geschrieben nach meinem Willen, es kommt von mir her. Und hernach sagte er: Ich will das Siegel darauf setzen. Wie ich nun nicht verstand, was das sollte gemeint sein: Ich will das Siegel darauf setzen, so sagte er abermal: Ich will es befestigen.

Einmal beichtete mir, der ich dieses schreibe, diese gläubige Dienerin Christi, wie sie zu tun pflegte; dieses geschah nun mit so vollkommener Erkenntnis ihrer Sünden, mit so großer Zerknirschung, mit so tiefer Demut und Aufrichtigkeit, und mit so vielen Tränen von Anfang bis zum Ende, dass ich mich auch des Weinens nicht enthalten konnte, so dass ich es auch in meinem Herzen für völlig gewiss achtete, dass wenn gleich die ganze Welt betrogen würde, Gott dennoch nimmermehr würde zulassen können, dass diese Seele, welche ich so voller Wahrheit und Aufrichtigkeit sah, sollte betrogen werden.
Übrigens hat Gott zugelassen, dass alles was ich geschrieben, auch noch von zwei anderen glaubwürdigen Brüdern nicht nur examiniret worden, sondern dass sie es auch selbst aus ihrem eigenen Munde gehört, und mit ihr darüber gehandelt haben….
Es wolle derjenige der durch den ewigen Geist sich selbst Gott, als ein unbeflecktes Opfer, dargebracht hat, unser Gewissen reinigen von den toten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott! Amen“.

eine kleine Kostprobe: http://www.deutsche-liebeslyrik.de/heilige_liebesspur/heilige_liebesspur13.htm

 

 

Johanna Maria von Cambry  ( 1581 - 1639)

 Zwei gelehrte und bekannte Freunde der Johanna von Cambry hatten schon bei ihrem Leben den Vorsatz, die Geschichte ihres Lebens ans Licht zu geben; weshalb sie dann auch dazu nötige Nachrichten bereits gesammelt und aufgesetzt hatten. Weil man aber in Bedenken geriet, die Tugenden einer noch lebenden und verfolgten Person öffentlich bekannt zu machen; und man auch vieler, gleichfalls noch lebenden ansehnlichen Leute, nicht zum Besten dabei hätte gedenken müssen, so blieb die Arbeit liegen. Diese gesammelten Nachrichten, und was sonst die Führer unserer Johanna von ihren Schriften nachließen, geriet hernach in die Hände ihres leiblichen Bruders, Pierre de Cambry, eines Canonici zu Renaix, welcher öffentlich bezeugte, dass er seine Bekehrung, nächst Gott, den Gebeten dieser seiner Schwester zu verdanken hätte. Dieser hat nun aus mehrgemeldeten Nachrichten und aus dem, was er sonst von seiner Schwester wußte und in Händen hatte, ihr Leben verfertiget, und endlich 1659 zu Antwerpen ans Licht gegeben, mit vielen vorgesetzten Approbationen. Es ist mir auch nie eine andere Edition davon bekannt geworden; viel weniger hab ich etwas davon in deutscher Sprache gesehen.

Diesen Auszug ihres Lebens anlangend, besteht größten und wichtigsten Teiles aus Urkunden von ihrer eigenen Hand, an ihre Führer oder vertraute Freunde geschrieben. Das Übrige haben unverwerfliche Augen- und Ohrenzeugen berichtet. Und ist zu bedauern, dass die geschriebenen Nachrichten von den letzten Jahren ihres Lebens, in damaliger Kriegsunruhe verloren gingen. Der Rest ist inzwischen gar zu schön, dass er nicht einen kleinen Raum bei diesen Sammlungen solcher Geschichten finden sollte.

Die übrigen Schriften dieser gottseligen Person sind alle zusammen zu Tournay oder Dornich 1665 unter folgendem Titel gedruckt: Les Oeuvres spirituelles de Soeur Jenne Marie de la Presentation, premierement Jenne de Cambry; Sie bestehen aus 6 Traktaten, die auch jedes besonders ediret sind:
1) Kleine Übung die Liebe Gottes zu erlangen.
2) Die vier Bücher von der Zerstörung der Eigenliebe und Aufbauung der Liebe Gottes, besonders gedruckt 1622 und 1627 zu Tournay, wie auch 1645 zu Paris. Dies ist ihr größter und ein recht wichtiger Tractat; worin nicht nur die mancherlei Schlupfwinkel der Eigenliebe gründlich entdecket, sondern auch die aufeinander folgenden Stände inneren Lebens, recht ordentlich und aus tiefer Erfahrung, beschrieben werden.
3) Die Mystische Fackel, auch besonders gedruckt zu Tournay, 1631, nachdem die Autorin in den ersten Kapiteln dieses Tractats den Seelenführern einige nötige Erinnerungen gegeben, erkläret sie danach die Mystischen Materien und Redensarten, auf eine ganz gründliche und fürtreffliche Weise.
4) Ein Tractat von Verbesserung des Ehestandes.
5) Trauerklage einer gefangenen Seele in ihrem sterblichen Leibe.
6) Von der Fürtrefflichkeit  der Einsamkeit. Auf welche Weise sie aber diese ihre Bücher geschrieben, kann nachfolgend im Kap. III. am Ende merkwürdig nachgelesen werden.

Es hat diese, wie alle anderen frommen Seelen, ihre Feinde und Verfolger gehabt, doch fehlte es auch nicht an solchen, die sie und ihre Schriften, geliebet und gelobet haben. Aus vielen wollen wir nur ein paar anführen.

Mons. Coriache, General-Vicarius des Erzbischofs zu Mechlen gibt von ihrer Mystischen Fackel (3) folgendes Zeugnis: Die Klarheit der Mystischen Fackel verblendet mein grobes Gesicht, und macht, dass ich bekennen muss , es sei diese Fackel ursprünglich hergekommen von dem Vater der Lichter, bei welchem kein annehmen (Ansehen) der Person ist, und der in dem schwächeren Geschlecht  Wunderdinge wirket. Es sei in alle Ewigkeit gebenedeit, fürnemlich durch diese gereinigten Geister, welche seiner Gottheit am meisten teilhaftig sind. Diese Coriache ist ein vertrauter Freund der berühmten und berufenen Jungfrau Antoinette Bourignon gewesen, auf dessen Anhalten sie auch ihr Innerliches Leben oder das Wort Gottes aufgesetzt, und an den sie etliche Briefe geschrieben, welche in ihrem Buch, das Licht scheinende in der Finsternis, gefunden werden.
Andreas Catulle, Gerneral-Vikarius des Erzbischofs zu Dornich, welcher auch die gemeldete Jungfrau Bourignon in ihren Verfolgungen zu verteidigen suchte, hat mehr als ein Zeugnis von dem Leben und Schriften unserer Johanna von Cambry ans Licht gegeben, woraus wir nur weniges anführen können: Ich bin (so schreibt er an den leiblichen Bruder der Johanna) fast allein noch übrig von denen, die nebst euch, eine genaue Bekanntschaft mit eurer Schwester gehabt haben. Ich erinnere mich noch der Leiden, die sie, mit so großer Geduld und unglaublicher Standhaftigkeit ausgestanden, denn weil sie Gott angenehm war, so musste sie durch die Versuchung bewährt werden. Ich habe sie zu Rissel öfters besucht und allemal eine tiefe Demut in ihr, und in ihren geistlichen Gesprächen wahrgenommen. Sie wandte in ihrem eingeschlossenen Kämmerlein fast alle Zeit an zum Gebet oder zum Schreiben gottseliger und fürtrefflicher Bücher; aus ihrem Angesicht leuchtete nichts als Gottseligkeit und Andacht hervor, so dass ich nimmer von ihrem Besuch und ehrwürdigen Ansehen zurück gekehrt bin, ohne mich in mir selbst zerknirschet und im Geiste eingesammelt befunden usw.

Wider die gestrenge und einsame Lebensart dieser gottseligen Seele werden sonderlich viele Leser kein Geringes einzuwenden haben. Allein, es wird solches keinem zur Nachfolge aufgebürdet, man berichtet nur historischer Weise ihre Führung und Lebensgeschichte, nicht uns in ihre äußere Lebensform zu verbilden, sondern unsere trägen Herzen aufzumuntern, zum ernsten Glauben und brünstiger Liebe Gottes.

 

BAND III

 

Margaretha von Beaune  (1619 - 1648)

Jesus ist der allein würdige und unentbehrliche Vorwurf (Vorbild) des Glaubens, und zwar Jesus ganz und in allen seinen Ständen. Jesus der Gekreuzigte ist ein voller offener Brunnquell der göttlichen Barmherzigkeit, Liebe und Kraft. Der Glaube sieht in IHM, und nimmt aus IHM, die Vergebung aller Sünden, die kindliche Zuversicht, und den freien Zugang zum geöffneten Vaterherzen; aber zugleich auch einen Reichtum der Kraft und Willigkeit, mit Jesu zu leiden und mit IHM zu sterben der Sünde, der Welt, und allem Leben der Eigenheit, um allein dem zu leben, der für uns gestorben und auferwecket ist.

2. Jesus aber ist nicht nur Mensch worden, um für uns Menschen gekreuziget zu werden: Mensch werdend, musste er ein kleines Kindlein werden, und von seiner Geburt an, war er schon eben derselbe unser Jesus, und vom Vater geschenkt zum seligmachenden Vorwurf unseres Glaubens. Er musste ein Kind werden, nicht nur um unserer Kindheit und Jugendsünden zu büßen, und solche Lebensalter durch sein Verdienst und Vorbild zu heiligen; sondern ER hat uns auch in seiner Menschwerdung die Pforte unserer Wiedervereinigung mit Gott eröffnet; dabei auch gezeiget, dass gleichwie ER, eben in dem Punkt der Kindheit die Menschheit angenommen, also auch wir, wo wir anders je mit Gott wieder vereinigt sein wollten, nicht müssten große und selbstkluge Leute bleiben, sondern umkehren und werden wie die Kindlein. Dies aber nicht allein, sondern es ist uns auch, in der Geburt und Kindheit Jesu, dieses Kinderwesen, das ist, die in Adam verlorene Unschuld, wieder geschenkt; das Kind Jesus ist uns ein Quellbrunne der vollkommensten Unschuld, Einfalt, Reinheit, Kleinheit und Abhängigkeit. Der Glaube kann es da sehen und nehmen. Wir sollen uns nur mit diesem Gottkinde vereinigen, selbiges in uns herrschen, leben, und von seinen göttlichen Kinder-eigenschaften durchdringen, und nach diesem schönsten Bilde uns bilden lassen. Um einmal durch diesen unseren großen Hersteller dem Vater wieder eingehändiget zu werden, in der Gestalt, wie uns seine göttliche Hand anfänglich gebildet hat (Jes. 8,18): Siehe hier bin ich, und die Kinder, die mir der Herr gegeben hat.

3. Doch solche Kinder sind recht zum Zeichen und Wunder in Israel worden. Denn wie Jesus in allen seinen Ständen ein würdiger Vorwurf des Glaubens ist, so ist hingegen, nicht nur Jesus der Gekreuzigte, sondern auch Jesus im Stalle zu Bethlehem, der Vernunft und dem Unglauben (1.Kor. 1,22) eine Torheit und Ärgernis. Kinder werden! Das klingt seltsam. Einem Kinde sich unterwerfen! In welchem Lande achtet man das raisonabel? Dass die Weisheit sich bücke vor der Einfalt, der Reichtum und die Hoheit vor der Armut und Niedrigkeit! Wo hat man das gesehen? Und hat man es etwas an jenen Weisen aus Morgenland  gesehen, wer ist so weise und edelmütig, dass er ihnen mit innigster Wahrheit nachzufolgen das Herz habe? Einmal, ihrer sind wenige: Doch aber, Gott lob! Noch etliche hin und wieder, die sich glückselig achten dieses Gotteskind zu verehren, welches schon bei seinerGeburt angebetet haben alle Engel Gottes.

4. Gott, der nach seiner bewundernswürdigen Herunterlassung, tausend göttliche Erfindungen hat, die Menschen zu locken und zu leiten zu dem Stande, worin er sich ihnen mitteilen könne; hat auch gewiss zu solchem Zweck diese Person uns dargestellt, deren Leben wir hier mitteilen, und durch dieselbe uns kund gemacht die Wunder seiner Kindheit, die Andacht zu dieser göttlichen Kindheit wieder erneuert, und vielen frommen Seelen Anlass gegeben, gleichsam einzutreten in diesen Orden der Kindheit Jesu Genossen.
5. Die Reden, und von dem Herrn der Margaretha erwiesenen sonderbaren Gnaden, welche man in ihrem Leben findet, sind teils, und also bald von ihrer erfahrenen Vorsteherin, der M. Marie de la Trinité, aufgeschrieben,, teils von der Margaretha selbst, auf Befehl der Vorsteherin, teils von anderen Augenzeugen die alles nachher förmlich und auf ihr Gewissen haben bezeugen müssen.

6. Der P. Amelote hat selbige Lebensgeschichte aufgesetzt, und 1654 zu Paris herausgegeben, mit einer Dedication an die Königin von Frankreich. Die Vernunft gab unglaublich viele Schwierigkeiten an die Hand, eine so seltsame Lebensbeschreibung gemein zu machen, unter mancherlei Vorwand. Man kann davon die Historie in der französischen Vorrede des Buches lesen. Und wer weiß, ob es nicht gänzlich unterdrücket worden wäre, wenn nicht die sonderbare Affection der Königin zu der Margaretha, da der Herr ihr auf das Gebet dieser seiner Braut einen Kronprinzen geschenket, der Sache das Übergewicht gegeben hätte. Die vielen und langen Widersetzlichkeiten verursachten zwar an der einen Seite, dass diese Sachen von vielen und mancherlei scharf sehenden, berühmten und gelehrten Leuten vielfältig cencuriret, die Wahrheit der erzählten Sachen aufs allerschärfste untersuchet, und bewährt erfunden worden; dass also die Vernunft nun auch so viel weniger Fug hätte sich darüber her zu machen. An der andern Seite aber stehet zu befürchten, dass diese Doctores auch wohl manches als unwert oder anstößig mögen durchgestrichen haben, welches wir gern als edle Gaben des Herrn aufgehoben hätten. Wir werden die wenigste Verantwortung, und den größten Nutzen haben, wo wir bei dergleichen Lesungen, alle Gaben Gottes an seinen Heiligen, zwar mit gebührender Hochachtung und Anbetung seiner überschwänglichen Mildigkeit ansehen; bei dem Außerordentlichen aber nicht stehen bleiben, sondern bei dem Wesentlichen, und was uns eigentlich zur Nachfolge solches Glaubens und zur Reizung der Liebe geschrieben ist
.
7. Die Zeugnisse von der vorhabenden Person und Geschichte, aus der röm. Kirche, hier anzuführen, achtet man unnötig. In dem Französischen findet man weitläufige Approbationes und Lobreden von 5 Bischöfen und verschiedenen Gelehrten dem Werk vorgesetzt, und das ganze 12. Buch ist voll davon. Wer den Markgrafen von Renty kennt, wird sich vergnügen mit dem, was derselbe aus Erfahrung davon geurteilet, und wir drunten angeführt haben. Den Protestanten sind diese Sachen bisher unbekannt geblieben.
Zum Schluß wünschen wir mit unserer lieben Margaretha: Viele Herzen her! Viele Herzen her! Die sich unterwerfen zu den Füßen des heiligen Kindes Jesu. Alle Geschöpfe müssen seine Obermacht erkennen! Alle Geister müssen von ihm abhänglich werden! Amen, Jesu!

 

Heinrich Seuse  (Suso  o. Säus)   1295 - 1366

Bei Ausfertigung dieser Lebensbeschreibung des Susonis haben wir nebst der lateinischen Übersetzung Lauri. Surii, Colon 1615 in octav, auch die altschwäbische Edition, zu Augsburg 1512 gedruckt, zur Hand gehabt, und allenthalben nachgesehen. Diese Originaledition wird sonst selten gesehen, ist aber öfters sehr nachdrücklich und artig, wie Surius selber gestand. Es verdienten diese edlen Schriften eine neue Übersetzung aus dieser Sprache, denn die deutsche Version des Anshelmi Hoffmann aus dem Lateinischen, Kölln 1661, ist nicht zum Besten geraten. Des Surii lateinische Version aber findet man ziemlich treu, wie auch deutlich und nett, wie dann dieser arbeitsame Mann, durch seine Übersetzungen, uns mehrere dergleichen herrliche Schriften conserviret hat.


2. Man hat auch eine brabändische Edition dieser Schriften, im Herzogenbusch 1627 gedruckt, und eine Französische, Paris 1614, so doch das Gespräch mit der Wahrheit nicht hat; das Gespräch mit der Weisheit aber ist 1684 allein zu Paris gedruckt, und dem Bischof von Meaux dediciret worden; eben dieses Gespräch mit der Weisheit hat ein unlängst verstorbener protestanischer Theologus treulich übersetzt, und auf seinem Totenbett liegend mir zugesandt, mit der Bitte, selbiges zur Ehre Gottes zum Druck zu befördern. Es sind aber des Säusens Schriften nacheinander folgende:

1.     Gespräch der Weisheit und ihres Dieners
  Vier Predigten, deren die letztere auch in Tauleri Postill, am Sonntag Voc.lucunditatis, sich befindet
  Etliche Sendschreiben
  Gespräch mit der Wahrheit
  Büchlein von den 9 Felsen
  Betrachtungen der Leiden Christi
  Tagzeiten der ewigen Weisheit
  Säusens Lebenslauf

Sonst sollen auch in Tauleri Postill die erste Predigt Misericord.Dom. (Joh. 10,11) und die Predigt am 1. Trinitatis (Luc.16,19) von unserm Susone sein, welches um so viel glaublicher, weil die alten Editionen der Predigten Tauleri, diese beiden, und die oben benannten nicht haben.

3. Seine Person anlangend, so ist er allen Umständen nach, wo nicht in den letztern Jahren des 13 Seculi (Jhd.), doch wenigstens gleich im Anfange des 14 Seculi (Jhd.) geboren, ob man wohl das Jahr seiner Geburt oder seines Todes nicht genau wissen kann. Achtzehn Jahr war er alt, wie er anfänglich bekehret ward. Vierzig Jahre war er, wie er in die höhere Schule der innern Selbstverleugnung und Gottgelassenheit eingeführet wurde, worin ihm Vieles  zu leiden um Eines zu lernen aufgegeben wurde. Das Schreiben seiner edlen Büchlein, sein gesegnetes Predigen hin und wieder, und die Anführung so mancher Seelen zur Liebe Gottes, ist bei reifer Erfahrung, und also meist nach dieser Zeit geschehen. Im Jahr 1352, als er sein Büchlein von den 9 Felsen schrieb, war er so weit in der göttlichen Vereinigung gefördert, dass Gott ihn unter die heiligen Einwohner des obersten Felsens zu setzen würdigte. Bedenket man, was von seinem vierzigsten Jahr bis auf diese Zeit mit ihm vorgegangen, so muss man schließen, dass er damals aufs wenigste 50 Jahr alt gewesen, und weil er nachher noch gelebet, gelehret und vieles gelitten, ein ziemliches Alter müsse erreichet haben. Einige setzen seinen Tod in dem Jahr 1365, und mögen wohl recht haben. Trithemius sagt nur, dass er ums Jahr 1350 am meisten berühmt wurde.

4. Die wenigen Nachrichten, welche dieser liebwerte und in dem dornigen Kreuzesweg durchtriebenen Dominikaner von seinem Leben uns selbst hinterlassen, würden, seiner Demut wegen, der Nachwelt vielleicht unbekannt geblieben sein, wo nicht eine seiner geistlichen Töchter, Elisabeth Staglin genannt, eine heilige und verständige Dominikaner Nonne im Kloster zu Tosse, das, was sie zufälliger Weise von ihm heraus gelockt, heimlich aufgeschrieben hätte. Zwar, als Säus solches erfuhr, hat er einiges davon verbrannt, es ward ihm aber von Gott ausdrücklich befohlen, das Übrige nicht nur zu bewahren, sondern nach der Tochter Tod, selbst eins und anders noch hinzu zu fügen. Er tat solches aber in der dritten Person, unter dem Namen des Dieners der ewigen Weisheit, ohne seinen eigentlichen Namen zu benennen.

5. Seine anderen Schriften wollte er auch Anfangs bis nach seinem Tod zurückhalten; erkannte aber hernach, dass es Gottes Wille wäre, dass solche noch bei seinem Leben allen gutherzigen und begierigen Seelen gemein gemacht würden. Er hat auch noch vor seinem Tod seine hin und wieder uns richtig abgeschriebenen Büchlein, nach ihrem ersten Sinn, selbst wieder eingerichtet. Seine Briefe aber sind von oben gemeldeter Elisabeth Staglin gesammelt und gekürzt worden.

6.  Wir haben bei diesem Auszug alles, so viel möglich gewesen, in einige Ordnung, so wohl der Zeit, als der inneren Führung nach, zu bringen gesucht; wie auch zu desto mehrere Erläuterung seiner inwendigen Stände, und mehrern Erbauung des Lesers, den Kern seiner übrigen Schriften, so viel der enge Raum zugelassen, an gehörigen Orten, kürzlich mitgenommen.

7. Das Urteil der Protestanten von diesem Mann und seinen Schriften, ist noch ziemlich favorabel: sie nennen ihn einen gottseligen Mann, dessen Schriften mit dem Papsttum nicht zu vergleichen seien. Einen vortrefflichen Theologen (Joh.Henr. Ursinus), welches ein jeder wahr befinden würde; man finde in seinem Vortrag eine reiche evangelische Gnade, nachdem er lange Zeit unter dem Gesetz rechtschaffen mühselig und beladen worden (Cave Hist. Litt.); einen wohlgeratenen Sohn einer sehr frommen und Jesum, den Gekreuzigten, brünstig liebende Mutter (Arnold Hist. Theol. Mystic.).

8. Zu Ulm ist der liebenswerte Säuß begraben, wie nun im vorigen Kriege die Franzosen daselbst Meister waren, haben sie Fleiß angewandt seinen Reliquien nachzugraben, allein solche Mühe war vergebens. Doch hier sind sie gefunden, tritt nur näher herzu, andächtiger Leser, betrachte, berühre, und ehre ohne Scheu diese wahre heilige Reliquien des Susonis, die ich dir nicht aus dem toten Moder des Grabes, sondern aus seinen edlen Schriften, die voll Kraft und Leben sind, hergeholt habe. Wer diese an den Hals hängt, und aufs Herz legt (Sprüche Salomos 3,1-4), dem geben sie langes Leben, gute Tage, Frieden, Gnade, Treue und Klugheit, die Gott und guten Menschen gefällt. Sie haben so dann die Kraft alles falsche Leben in dir zu töten, und dir das Leben in deinem ewigen Ursprung wieder anzuweisen, wodurch du von allem Jammer zeitlich und ewig befreit wirst. Das geben uns allen dieses ewige liebende Gut zu erfahren! Amen.

 

  s. a. www.susohaus.de

 

Katharina von Siena  (1347 - 1380)

Fürwahr, wenn ein Sünder zu der edlen Tat der reinen Liebe gelangen möchte, dass er, mit gründlicher Vergessung und Drangebung seiner selbst, sich wahrlich Gott überließe, und demselben Vollmacht gäbe in Zeit und Ewigkeit mit ihm zu machen was ER immer wollte; nicht achtend oder ansehend sein Weh oder sein Wohl, sondern bloß Gott, und dass der nur möchte geehret, geliebet und vergnüget werden. Über einen Solchen würde Zorn und Hölle keine Macht mehr haben; sondern seine Sünden, wenn sie auch noch so groß wären, würden eher vergeben und verzehret sein, als ein wenig Flachs in einem glühenden Ofen; ja, diese Liebe würde ihn heilig und göttlich machen.

2. Nun sind wir zwar, nach unserer angeborenen Art, ganz gewurzelt in der kindlichen Eigenliebe, und durch dieselbe so zu uns selbst gekrümmet, dass wir Gott nicht ansehen, lieben noch vertrauen können. Es muss und es will uns aber der Sohn Gottes selbst, durch seinen heiligen Geist (Röm. 5,5), diese Liebe in unsere Herzen ausgießen; nachdem ER in seiner Menscheit unsere Sünden auf sich genommen, und durch eben diese reine Liebe uns wieder mit Gott völlig ausgesöhnet hat. Und mit einer solchen freien Liebe Gott dienen, das ist erst mit Nachdruck Christentum; da wohl sehr zu bedauern, dass auch fromme Menschen so lange, wenn nicht ihr Leben lang, zappeln in dem ängstlichen Beschäftigen und Sorgen für sich selbst; ohne dass sie einmal ihre eigenen Absichten dran geben, sich Gott anvertrauen, und nur reine Liebe suchen in dem Herzen und Angesicht Jesu Christi. Ach, (1.Joh. 4,19) lasset uns ihn lieben, denn er hat uns zuerst geliebt.

3. Von dieser Materie hat die Katharina von Siena durch ihr heiliges Leben und Schriften gezeuget; und zwar mit einer solchen evangelischen Lauterkeit, Einfalt und eindringenden Kraft, dass ich nicht weiß je ihres gleichen in diesen Stücken gefunden zu haben. Diese reine Liebe ist der Grund ihrer Gottseligkeit und Lehre: Solche zu erlangen, und die Eigenliebe zu zerstören, müsse man, nach vorher gegangener Erkenntnis seiner selbst, in Gottes Licht sonderlich erkennen, die freie und reine Liebe Gottes, der 1)  den Menschen allein, aus freiwilliger Bewegung seiner Liebe, und bloß zur ewigen Glückseligkeit erschaffen. Und nachdem er durch die Sünde verloren, ihn 2.) auch aus purer Liebe, durch das Blut seines Sohns wieder erlöset hat. Und ihn 3.) nun auch bloß aus Liebe, zu seiner Wiederbringung, erhält; und alles, auch das Allerschmerzlichste, demselben aus Liebe, zu seiner Heiligung zuschicket, was ihm nach Seele oder Leib in dieser Welt begegnet.

4.  Hauptsächlich aber erhebet sie das Gemüt zur Beschauung der reinen Liebe Gottes in Christo; da ER uns erlöset hat, und erlöset durch das Blut seines geliebten Sohnes; dieses Blut ist ihr eigentlicher Charakter, ihre Speise, ihr rechtes Element; darin badet sie sich im Glauben, und da ziehet sie ihre Leser (sonderlich in ihren Briefen) unvermerkt mit hinein; damit man durch dieses mit Feuer vermengte Blut, wie ihr Ausdruck lautet, versöhnet, belebet, und entzündet werde in der reinen Liebe Gottes, vergessende seiner selbst, und aller eigenen Absichten, um Gott mit unermüdeter Treue, und kindlichem Vertrauen zu dienen. Ersäufet, spricht sie irgendwo, alle knechtische Furcht in dem Blut des Lammes. Und an anderer Stelle: Gebet, gebet doch euren Seelen zu trinken von dem Blut Jesu Christi; damit sie in Liebe entzündet zum Kampf laufe, und getrost streiten möge. Ja diesem Blut schrieb sie gar alles zu und sagte: Auch das Blut der Märtyrer ist nichts geachtet, als nur wegen der Vereinigung mit dem Blut des Lammes. Diese Stellen fallen mir nur noch in die Augen, im Lebenslauf selbst ist ein mehreres zu lesen. Ihre Reden von dieser Materie erwärmen das Herz,  flößen ein süßes Vertrauen und Mut ein, sich Gott und seinem Dienst gründlich aufzuopfern; Und fühlet man bald, dass sie aus einem göttlichen Ursprung kommen, als was heut zu Tage in dieser Materie von einen zu seicht und zu leicht vorgetragen wird.   

5. Die Briefe dieser heiligen Seele, deren man noch 375 an allerhand Standespersonen geschrieben übrig hat, sind 1644 französisch zu Paris in Quarto gedruckt. Die von ihr selbst diktierten sechs Gespräche sind 1583 lateinisch zu Ingolstadt, und zum Teil holländisch zu Ghent 1717 herausgegeben. Ihre Betrachtungen über die Passion hat ihr Beichvater Raymundus de Capua ediret, wie dann auch eben dieser ihr Leben beschrieben, so wie man es auch in deutscher Sprache, Augsburg 1619 übersetzt hat. Weil ich aber von diesem ihrem Leben ein lateinisches 1415, auf Pergament geschriebenes Exemplar zur Hand habe, so hab ich dieses Manuskript, neben dem gedruckten, zu diesem Auszug gebraucht; und sonst aus ihren Schriften, sonderlich den Briefen, verschiedenen schöne Stellen mit eingefügt.

6. Die Zeugnisse von ihr sind bei den Gelehrten sehr schön; Sandaeus sagt: Ihre Schriften halten in sich eine ganz göttliche Weisheit und Anführung zum heiligen Leben, und sind sonderlich ihre Briefe nützlich; wie wir dann selbige vor diesem fleißig und mit Nutzen gelesen haben. Fast eben dieses wiederholet der Kardinal Bona, vieler anderer zu schweigen.

7. aus den Protestanten sagt einer: Dass ihre Gottseligkeit ungeheuchelt, ihre Keuschheit und Reinigkeit des Lebens unbefleckt, und die Liebe gegen die Armen, wie auch der Eifer über die Kirche sehr groß gewesen. Und in ihren Schriften bemerket eben derselbe eine wunderbare Einfalt der Worte, und in ihren Briefen eine große Gottseligkeit und Gravität. Der Herr Arnold führet auch aus Kortholt, Micraelio, Mart Geier die Zeugnisse: dass ich jetzt von dem Herrn Poiret nichts sage. In ihrem Leben ist sie bei Päbsten und Königen, Hohen und Geringen in großem Ansehen gewesen, ob sie gleich so ein junges und ungelehrtes Mägdlein war; und mögen durch sie allein mehrere Seelen sein bekehret worden, als durch eine ganze Schar Kirchenlehrer ihrer Zeit. Es geben Gott, dass diese Erneuerung ihres Andenkens auch noch gesegnet sein möge!

 

Franziskus von Assisi  (1181 -1226)

Wo nehme ich immer die Gründe alle her, um mich zu rechtfertigen oder zu entschuldigen bei der heutigen delicaten Welt, dass ich mich erkühne das Leben Francisci, und einiger ersten Jünger, an das Licht zu bringen? Und zwar nicht zum Possen, sondern in rechtem Ernst; nicht solche Leute zu beschimpfen, wie andere getan, sondern ihren Glauben, Liebe, ihre Treue, zur Erbauung des Nächsten darzulegen. Man wird sagen: Will man nun aus der Finsternis die Lichter herholen, und in diesen, Gott erbarm`s, erleuchteten Zeiten auf den Leuchter stellen? Will man nun klugen Leuten die Taten und Lehren solcher Menschen vorlegen, welche fast jedermann als Toren belacht hat? Sachte, lachet nicht zu früh, wo ihr anders klug seid. Der lacht wohl, wer als Letzter lacht. Sehet erst zu, wenn ihr anders solches zu prüfen im Stande seid, ob nicht vielleicht dieser Mann, und die Seinigen, von solcher Art Toren gewesen, die um Christi Willen Narren geworden sind: Seid nicht so unbescheiden, dass ihrs diesem Mann anrechnet, was dieser oder jener Mönch, aus Aberglauben gedichtet, oder ein anderer ihn zu beschimpfen mit häßlicher Farbe abgemalt: Leset diese Blätter wenn ihr wollt, ohne Vorurteil, sehend dabei auf den Grund und die Hauptsache, nicht aber auf äußere Nebenumstände; und saget dann, ob ihr euch nicht selig würdet schätzen, wenn ihr nach dem Tode an den Ort kämet, wo solche Streiter hingekommen sind: Man will euch hierdurch nicht zu Barfüßlern und Bettelmöchen machen; werdet nur nicht bange: Man fordert nicht einmal, dass ihr alles lobet; sondern nur, dass ihr alles prüfet, und das Gute behaltet; und es auch dem nicht zur Missetat anrechnet, der euch die wahre Historie dieser Männer, bei so manchen Mährlein, die man nur gar zu gern, auch ohne Prüfung, glaubet, in kurzem Begriff mitteilt.

2. Zu der Zeit, wie Franziskus und seine ersten Jünger gelebt haben, waren allerdings die Finsternis, der Abfall, und das Elend, in der Welt und äußeren Kirchen groß. Es gab auch deren von verschiedener Gattung, und nicht gleicher Lauterkeit, welche wider solchen Verfall ernstlich zeugten, und weder Pabst noch Priester schonten; deren einige blieben in der Gemeinschaft der äußeren Kirchen, andere aber waren in etwa davon abgesondert, wie die rechtschaffenen unter den Albigensern und Waldensern. Dergleichen scharf beißende Arzneimittel aber wollten nicht bei allen anschlagen, ihre heilende Kraft erstreckte sich auch nicht jederzeit tief genug, das bisweilen damit verpaart gehende stürmische Wesen mochte auch wohl der beäugten Besserung im Wege stehen.

3. Einmal, der ewig liebende, langmütige Gott, der nicht will, dass jemand verloren gehe, sondern seinem abgewichenem Geschöpf beizukommen und zu helfen sucht, auf alle ersinnliche Weise, der versuchte es derhalben mit dem verderbten menschlichen Geschlecht auf eine andere Art, gleich einem klugen Arzt, der um der Aversion willen, welche einige Patienten gegen gewisse Arzneimittel haben, sich gerne bequemt, und ihnen entweder eben dieselbe Arznei anders zubereitet, oder eine andere, von gleicher Wirkung substituiret.

4. Es kam unser hl. Franziskus. Der ließ den Pabst Pabst, und die Priester Priester sein; waren sie böse, das würde Gott finden und richten zu seiner Zeit: Sein Beruf ging nicht dahin, um zu untersuchen, ob alle die Nebenbegriffe und Handlungen des Gottesdienstes ihre völlige Richtigkeit hätten; was er vor sich fand, das brauchte er zum einzigen allezeit richtigen Zweck: Nach Christi Worten zu leben, und Christo Seelen zu gewinnen, darum war es ihm nur zu tun: Er strafte die Sünde, predigte von Buße, von Verleugnung der Welt, von der Liebe zu Gott; und führte seine Nachfolger an zum Gebet, und zur Gemeinschaft mit dem unsichtbaren Gut. Diese Dinge predigte er, und lehrte er predigen, mit ganz einfältigen Worten, aber noch weit kräftiger durch sein heiliges Exempel, bis in den Tod.

5. Unter denen, welche seinen äußeren Ordnungen und Anstalten sich ergeben, und Franziskaner oder Minderbrüder heißen, äußerte sich schon zeitig ein greulicher Abfall, den er auch selbst bei seinem Leben, teils vorher gesehen, teils vorher angekündigt hat. Dem unbeachtet ist es unleugbar, dass durch ihn viele Herzen selbiger Zeit gerührt, und zu einem ernsten Leben und Liebe Gottes bekehrte, und sonderlich manche von seinen ersten Jüngern Gott wahrlich ergebene heilige Seelen gewesen sind, wie wir hernach einige Exempel anführen wollen: So, dass wir daher schließen, es sei auch zur selbigen Zeit, in seiner Masse jenes Wort des Herrn wahr geworden, was Er bei allen lauteren Auferweckungen und Erneuerungen von Zeit zu Zeit wahr gemacht hat: Du lässt (Psalm 104,30) deinen Geist aus, so werden sie geschaffen und erneuerst die Gestalt der Erde. Ob gleich der Frühling der Kirchen bis dato noch nie tausend Jahr gewährt, sondern allemal wieder ein kalter Winter gefolgt ist.

6. Die Bücher, deren man sich bediente für den Auszug dieses Lebens Francisci, auszufertigen, sind folgende: Das Leben Francisci durch Bonaventura beschrieben, Bosquierii, Antiquitates Franciscanae, Colon 1623, Opuscula Francisci, per Waddingum, Antw. 1623, und Lion 1636, und dann den Wyngart Francisci, 1518 zu Antwerpen gedruckt.

7. Weil Franziscus unter den Römisch-Katholischen canonisiret ist, so dürfen wir, ihnen zu lieb, keine Zeugnisse anführen. Dominicus und Franciscus, wie sie zu einer Zeit lebten, haben auch einander geliebet und geehrt, das tun indessen ihre Nachfolger untereinander gar nicht. Die Protestanten untersuchen solche Sachen selten. Vielleicht gibt dieser Auszug ihnen nähere Gelegenheit zu erkennen, was sie an Franciscus haben. Luther urteilte bescheiden: Francisus sei ohne Zweifel ein redlicher, frommer Mann gewesen, der wohl nicht gedacht, dass aus seinem Leben eine so große Superstition entstehen würde. Der Herr Poiret nannte ihn einen Theodidactum, einen Spiegel der Verleugnung und vollendeten Heiligkeit. Das Zeugnis der erleuchteten Mad.Guion hat ohne Zweifel auch bei einigen Protestanten sein Gewicht, welche sagt: Francisus sei Jesu Christi gleichförmig gewesen, wie er sich (anfangs seiner Bekehrung) von allem entblößte; danach habe er die Stände Jesu Christi getragen; endlich in der Vollendung seines Lebens, ward er Jesus Christus gemacht, Jesus Christus lebte und litt in ihm. Die Angele de Folignii, welche nicht so gar lang nach des Francisi Zeiten gelebt, lobte ihm mehr als gemein, etwas davon ist in ihrem Leben  angeführt, das meiste aber hat man in dem zu ihrem Leben von uns gebrauchten Manuscript noch ungedruckt.  Wir wollen nur dieses wenige daraus anführen, worin sie den Hauptcharakter des Francisci anzeigte, welcher auch der eigentliche Charakter der Angele, wie auch des Bernieres gewesen: „Ich sehe keinen Heiligen, der mir sonderlicher zeiget den Weg von dem Buch des Lebens, nämlich ein Exemplar von dem Leben des Gottmenschen Jesu Christi, als der heilige Francisus…. Zwei Stücke hat uns dieser glorwürdige Vater gelehrt: Das Eine ist, dass wir uns in Gott versammeln sollten, nämlich unsere ganze Seele in diese Göttliche Unendlichkeit….. Das Andere, dass wir sollten lieben die Armut, das Leiden, die Verachtung und den Gehorsam…. So lasset uns ihm dann glauben, usw“.

8. Es halte ihn ein jeder wofür er ihn halten will, sein Wahlspruch entscheidet die Sache und stopfet aller Mund, welchen der fromme Thomas à Kempis in seiner Nachfolge anführte: So viel einer, Herr! In deinen Augen ist, so viel ist er, und nicht mehr, sagt der demütige, heilige Franciscus.

 

Erste Mitbrüder des Franziskus

Was ich vorher in dem Vorbericht des Francisci gesagt habe, gehört überhaupt mit hierhin: diese und einige andere seiner ersten Nachfolger sind in einem Geist mit ihm gewandelt; und haben wir zu diesem Auszug eben dieselben Bücher gebraucht. Nur wollte man hier an folgendes noch zusätzlich erinnern.

2. Wenn man hier, oder sonst wo in diesen Lebensläufen von Entzückungen, oder anderen außerordentlichen Gnadengaben und Führungen etwas antrifft, so denke niemand, als wollte man in dergleichen Sachen die Heiligkeit solcher Menschen suchen oder setzen: Keineswegs. Erleuchtete wissen schon, an welchen Ort sie solche Gnadengaben bringen sollen; überhaupt sieht man nur auf den Grund der Sache selbst, und verherrlichet die Mildigkeit des gütigsten Gottes, in seinen vielen und mancherlei Gaben und Ausflüssen. Welch ein Gut muss das sein, das den Pilgern schon auf so unendlich verschiedene Arten sich mitteilet, und durch einige Tröpflein seiner Güte so überschwenglich erfüllen kann. In den besonderen Zeiten der gnädigen Heimsuchung Gottes, lässt der Herr die Verkündigung seiner Wahrheit öfters begleitet gehen, mit sonderlichen in die Augen laufenden Taten, und Ausflüssen seiner Gnadengaben; um nämlich dadurch der Hauptsache ein Gewicht  zu geben, und die Aufmerksamkeit der Menschen aufzuwecken.

3. Wir gestehen auch gern, dass die äußere Lebensart, und das Verhalten Francisci und seiner Jünger sonderlich gewesen; ja, dass sie bisweilen töricht scheinende Dinge getan und geredet haben; wovon wir aber, den Anstoß zu vermeiden, hier nicht alles anzuführen dienlich geachtet. Man sehe aber den Umstand der Zeit an, worin sie gelebet: die Menschen, geistlich und weltlichen Standes, waren ertrunken in irdischen Gütern, in Hochmut und Pracht, in Wollust und Üppigkeit, sie begingen hierin greuliche Excesse: Franciscus und die Seinigen, welche mehr durch ihr Exempel als durch ihre Worte die Menschen zu bekehren suchten, taten gerade das Widerspiel; sie liebten und suchten die äußere Armut, die Erniedrigung und Schmach, die Leiden, Verleugnungen und Ungemach, und hierin begingen sie rechte Excesse, welche aber keinem zum Nachahmen aufgebürdet werden. Und gleichwie die magere Schultheologie, mit ihren subtilen Grillen, eben um diese Zeit recht in Schwung kam, und auch manches gutes Gemüt (dergleichen Albertus Magnus, Thomas Aquinas, und andere waren) aufgehalten und verwirret hat: So kam Franciscus mit den Seinigen, und verschmähten solche falschberühmte Kunst, durch ihre äußere Einfalt in Lehr und Leben; wobei es ihnen doch an göttlicher Erleuchtung und Weisheit um so viel weniger fehlte.

4. Man hätte hier auch von mehreren lieben Jüngern Francisci Erwähnung tun können, der Raum aber litte es nicht; und so ist es auch schade, dass man meistens nur das Äußere und Geringere angeführet findet, wenig aber von ihrem Inwendigen und Edelsten, als nur wo sie etwas selbst, durch ein oder andern Ausdruck, einiges davon entdecket haben. Die Heiligen beschreiben ihr Leben selbst am besten. Wer des heil. Macarii Homilien gesehen, wird sich eine eigentlichere und erhabenere Vorstellung von dem Manne machen, als ein anderer, der nur dessen Leben, von Palladio oder andern beschrieben gelesen hat. Aus dem Wenigen, so wir inzwischen hier mitteilen, wird ein zu prüfen tüchtiges Auge so viel gestehen müssen, dass diese Leute wahrlich Freunde Gottes gewesen sind; und der Herr Poiret hat nicht zu viel gesagt, wenn er dieser Jünger Francisci Lebensläufe vortrefflich und göttlich genannt hat.

5. Wie der Herr Prof. Weißman von einem dieser nachfolgenden Jünger Francisci, nämlich dem Bruder Jakob de Benedictis, welchen der Kardinal Petrucci so sehr geliebet und geachtet, in seiner Kirchenhistorie redet, führet er einige Gründe an, warum man dergleichen Leute ihre töricht scheinenden Taten zu entschuldigen, und ihnen zu gut zu halten habe; und sagte zum Beschluss: Fürwahr, das günstige Zeugnis, welches Petrucci von diesem Jakob giebet, verdienet, dass wir ihm, da er uns sonst nicht bekannt ist, diese Zuguthaltung erteilen, damit die Gnade, welche ihm zu geben der Hausvater ihn gewürdiget hat, nicht ohne Not verachtet oder verworfen werde von den Kindern.

6. Der heilige Franciscus wollte einmal sich ausdrücken, mit welchen Tugenden er seine Nachfolger gern gezieret haben möchte, und gab dadurch zugleich ein kurzes und gutes Zeugnis von einigen seiner Brüder: „ Wer Bruder Bernadus Glauben hätte, wer so einfältig und lauter wäre, als Bruder Leo; so höflich als Bruder Angelus; wer so holdselig, sanftmütig und lieblich im Reden wäre, wie Bruder Masseus; wer ein so erhabenes beschauliches Gemüt hätte wie Bruder Gielis; wer ein so unablässiges Gebet wäre wie Bruder Rufin; wer die Geduld hätte von Bruder Juniperus, wer eine solche Tapferkeit und Stärke hätte, wie Bruder Ian von Lauden; wer eine so brünstige Liebe hätte, wie Bruder Rogerius, und eine Liebe zur Abgeschiedenheit und Einsamkeit wie Bruder Lucidus, ein solcher würde ein wahrer Minderbruder sein.“

Wollte Gott, dass nicht nur die Klöster, sondern ganze Länder voll von solchen guten Brüdern wären!

 

Juliana von Norwich  (1342 – 1413)

Diese heilige Jungfrau Juliana, welche im 14. Jhdt. in England lebte, ist unter allen Parteien sehr unbekannt. Und würde auch vielleicht ihr Name und von Gott empfangene Gnaden vor den Menschen verborgen geblieben sein, wenn nicht endlich ein Benediktiner, Serenus Dreffy, die göttlichen Offenbarungen der göttlichen Liebe, welche diese heilige Einsiedlerin gehabt in englischer Sprache im Jahr 1670 herausgegeben hätte. Ein altes Manuskript von diesen Offenbarungen hab ich auch in des seligen Poirets Bibliothek gesehen. Doch ist eins so wohl als das Andere in der englischen Sprache, hab auch nie von einer Übersetzung in einer anderen Sprache etwas gehöret. Es verdiente aber doch dieses Büchlein eine Übersetzung ins Deutsche, wie man aus diesem Auszug wird schließen können. Weil aber die Sprache alt, ihr Ausdruck einfältig, und der Sinn doch öfters tief ist: so müsste einer, der das tun wollte, das erforderliche Licht haben, und daneben (wenn ich nicht irre) nicht nur die englische, sondern auch die westphälische Sprache verstehen.

2. Deswegen hoffe ich, es werde nicht nur manchem angenehm, sondern (welches das Fürnehmste) auch erbaulich, und Gott verherrlichend sein, dass ich bei dieser Gelegenheit diesen kurzen Auszug zu einer Probe ans Licht bringe.

3. Fürwahr, wenn man ansiehet, was in dieser Juliana, in der Siena, in der Mechthildis, u. a. m. von dem Werk unserer Erlösung durch Christum, von der unbegreiflichen Menschenliebe Gottes, von dieser Herzenskinder vertraulichen Unterhandlung mit Gott, und Gottes mit ihnen, und von andern Materien des innern Christentums vorkommt: so muss man gestehen, dass die wahre evangelische Gnade reichlich in ihnen gewohnet habe; und müsste einer tot und blind sein, wer das ohne inneres Gefühl könnte lesen, oder wohl gar für Weiberphantasien  halten wollen. Wir gehen weit verständiger zu Werk, wann wir die folgende herzliche Erinnerung unserer Juliana zu Herzen nehmen; welche als ein Zeugnis ihres kindlich demütigen Sinnes, und zugleich als eine Einleitung in diese Sachen dienlich sein kann.

4. „Ich lernte,“ spricht sie, „ in diesem geistlichen Gesicht, dass unseres Gottes Meinung wäre, dass dieses mir (die ich meinte zu sterben) gezeiget würde für die, welche leben blieben. Und darum, wann ich von mir selbst rede, so meine ich alle meine Mitchristen. Deswegen so bitte ich euch alle um der Sache Gottes Willen, und rate euch, eures eigenen Nutzens wegen, dass ihr keineswegs sehet auf die Elenden, welchen diese Dinge gezeiget sind; sondern dass ihr mächtiglich, weißlich, und demütiglich in Gott schauet, der durch seine Freundlichkeit, Liebe und unendliche Gutheit, dieses uns allen insgemein, zu unserem Trost hat wollen zeigen: denn es ist Gottes Wille, dass ihr es annehmet mit großer Freude und Wohlgefallen, wie es Jesus Christus euch gezeiget hat. Denn deswegen bin ich nicht gut, weil mir solches gezeiget worden, sondern wenn ich Gott so vielmehr liebe: und in so weit als ihr Gott desto mehr liebet, so ist es mehr für euch als für mich. Ich sage diese Dinge nicht zu denen die weise sind, denn die wissen es wohl: sondern ich sage sie zu euch, die ihr einfältig seid, zu eurer Erquickung und Trost; denn wir sind alle einer in der Liebe. Denn fürwahr es ward mir nicht darum gezeiget, als wenn Gott mich mehr liebete, als die geringste Seele, die in der Gnade stehet; sondern ich bin gewiß, dass mancher ist, der niemals eine andere Eröffnung oder Gesicht gehabt, als die gemeine Lehre der Kirchen, welche doch Gott besser liebet als ich. Und wenn ich auf mich selbst insonderheit sehe, dann bin ich ein rechtes Nichts, usw.“ 
Link zu einem Auszug aus“Offenbarungen göttlicher Liebe
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übers. E. Strakosch,(Einsiedeln,1960) http://www.hoye.de/mystik/juliana.pdf

 

Johannes vom Kreuz  (1542 - 1591)

Dass wir Sünder durch Christum wieder mit Gott ausgesöhnet worden, und durch sein Blut allein den freien Zugang zu ihm und zu seinem Reich haben, ist eine anbetungswürdige Gnade. Dass wir aber auch den Verleugnungsweg gehen, und mit leiden müssen (Röm.8,17), wann wir mit verherrlichet werden wollen, wird dadurch keineswegs ausgeschlossen, sondern als eine unausbleibliche Frucht und notwendige Folge mit eingeschlossen; sintemal es doch einmal unmöglich ist, dass die, so nicht reines Herzens sind, in der Zeit oder in der Ewigkeit Gott schauen können. Wer das leugnen wollte, würde damit zu erkennen geben, dass er weder die Schrift wüßte, noch unser Erlösungswerk im Zusammenhang begriffe, dass er auch weder sich selbst, noch Gott, noch den großen Abstand der Unreinigkeit von der Reinigkeit durch Erfahrung erkannt hätte.

2. Es irren darum diejenigen nicht allein, welche sich das Verdienst Christi, und die Verheißungen des Evangeliums ohne Buße und Sinnesänderung zueignen, und eine solche selbstgewirkte Zueignung für den Glauben halten; sondern auch die Anderen bleiben vom Ziel zurück, welche, nach Erfahrung einiger Gnadenblicke, oder auch der wirklichen Vergebung ihrer Sünden, fluchs meinen, nun seien sie auf einmal fertig, und läge ihnen weiter nichts ob, als nur von ihrem versicherten Heil zu singen und zu sagen, und dem Heilande Seelen zu gewinnen.

3. Es ist wohl an dem, das wenn eine bußfertige Seele des Reichtums göttlicher Barmherzigkeit in der Vergebung ihrer Sünden wahrlich teilhaftig wird, selbige alsdann merklich spüre, wie dass sie, unangesehen ihrer Sünden und Unreinigkeit, dennoch Hoffnung und Vertrauen zu Gott habe möge, und dass er ihr, anstatt der verdienten Strafe, Gunst und Gnade widerfahren lasse. Allein, wo sie nur mit ihrem Herzen in dieser Gnade bleibet, da wird sie bald inne, dass dieselbe kein so vorüber gehendes oder totes Ding sei, sondern eine lebendige und geschäftige Kraft des Geistes Jesu, wodurch sie unterwiesen wird (Tit.2,11.12), wie und was sie zu verleugnen, und welcher Gestalt sie züchtig, gerecht, und innerlich gottesdienstlich vor ihrem Gott wandeln, und eben wegen der noch bevorstehenden großen Verheißungen (2.Kor. 7,1) sich müsse reinigen von allen Befleckungen des Fleisches und des Geistes, und ihre Heiligung vollbringen in der Furcht Gottes. Diejenige, welche nicht dergestalt die Notwendigkeit einer gründlichen Reinigung und Heiligung erfahren, mögen zweifeln, ob sie richtig in der Gnade stehen, und nicht zu verfremdet von dem, was in ihren Herzen vorgehet, in den Tag hinein leben.

4. Zwar wir können und sollen es nicht so in eigener Kraft tun, sondern, wie gesagt, die Gnade tut´s, der wir aber Raum geben, und im Glauben gehorsam werden müssen. Und das erfährt auch die Seele unter solcher Arbeit, und bei anwachsendem Licht immer mehr, dass sogar ihre besten Bemühungen und Mitwirkungen mit der Gnade nicht zulänglich sind, die tiefen Wurzeln ihrer Selbstliebe und den Abgrund des Verderbens auszurotten. Dazu muß Gott selbst noch sonderlicher seine Hand anlegen, um eben diese (Joh. 15,1) fruchtbringende Rebe zu reinigen, und solche Seelen auserwählt zu machen im Ofen des Elends (Jes. 48,10). Und könnte man dasjenige, was zuförderst durch der Seelen treue Mitwirkung geschieht gar füglich eine wirksame Reinigung, dasjenige aber, was von Gott  und zwar (1.Petr. 1,6) durch Leiden und mancherlei Versuchungen vorgenommen wird, recht eigentlich eine leidentliche Reinigung nennen. Wird man durch jene erstere in etwas gereiniget von den Befleckungen des Fleisches, so feget diese letztere den Schaum der Befleckung (2. Kor.7,1) des Fleisches und des Geistes aufs lauterste weg, und ist, laut der Schrift (2.Kor.6,17.17), die notwendige und nächste Bereitschaft zur völligen Inwohnung Gottes in uns.

5. Nun ist es aber so weit davon ab, dass solche Wege der Reinigung und der Vollendung unserer Heiligung dem alleinigen Bauen auf Christi Verdienst und pure Gnade sollten entgegen sein, dass vielmehr in und durch dergleichen göttliche Führungen diese große Wahrheit immer mächtiger in der Seelen exaltiret und verkläret wird, von einer Klarheit zur andern; indem ihr das verdeckte Bauen und Stützen auf sich selbst, und auch alles, was im Geistlichen nicht bloß Christus und sein Werk ist, immer tiefer wird aufgedeckt und weggeschmolzen, und die Seele also zubereitet, sich immer gründlicher zu verlassen, um (Phil. 3,9) völlig in Christo erfunden zu werden; da sie nicht mehr lebet (Gal. 2,20), sondern nur Christus in ihr. Fürwahr wer durch einige Erfahrung erkannt hat, die auf diese Leiden (1.Petr. 1,11) in Christo darnach folgende Herrlichkeit, der wird sich nicht lange wider diese heilsame Kreuzeslehre wehren, sondern sie gerne mit zum Evangelium nehmen.

6. Den Anlass zu diesem Vortrag gibt mir der Mann, dessen Leben wir hier vor uns haben, als welcher sonderlich von diesen Wegen der Reinigung zur göttlichen Vereinigung, aus tiefer Erfahrung, Zeugnis gegeben hat in seinen herrlichen Schriften, woraus wir hier im 8. Und 9. Kapitel einen kurzen Abriss  und Auszug mitteilen. Wer dem nun zustimmet, was wir allererst vom Geheimnis des Kreuzes gesagt haben, der wird auch die Schriften des Johannis à Cruce ohne Anstoß, ja mit Nutzen lesen, und zugleich jenen evangelischen Lehrer (Gottfried  Arnold) verstehen können, da er von demselben dieses Zeugnis gibt: „Dieser Mann hat in seinen mystischen Schriften so gar offenbare Zeugnisse von dem wahrhaftigen Evangelio Jesu Christi, und dem Weg zur Vereinigung und Gemeinschaft mit Gott hinterlassen, dass seine Praxis im Leben ohne Zweifel nach dem Grunde übereinstimmen müsse, usw“.

7. Eben dieser Herr Arnold sagt an  anderer Stelle: Es habe derselbe an Weisheit und Tiefe des Ausdrucks wenige oder fast niemand seines gleichen, wie ein jeder, der den Geist der Prüfung vom Vater empfangen, bekennen würde usw.
Der Herr Poiret weiß den à Cruce nicht genug zu rühmen; sein Zeugnis kann man am unten angewiesenen Orte (Biblioth.Mystic.pag.330) unter anderem nachsehen; und nennt er ihn sonst einen hocherleuchteten, englischen, tiefen, gründlichen und gelehrten Mann. Wie dann auch noch unlängst der Herr Daniel Wille, ein wie ich meine noch lebender Ref. Prediger in der Schweiz, sich nicht gescheuet hat, das erste Kapitel seines Rätselbüchleins ganz von unserem à Cruce zu entlehnen, und in seiner nachmaligen Erläuterung zu verteidigen als feste, und in Gottes Wort gegründete Wahrheitsrätseln vom Weg zu Gott, welche kein redlicher Christ umstoßen würde.

8. Nachdem er unter den röm. Katholischen öffentlich kanonisiert, auch seine Lehre von manchen gründlich verteidiget worden, wäre es ganz überflüssig, deren Zeugnisse und Lobreden hier anzuführen.

9. Seine Schriften sind aus der ursprünglichen spanischen Sprache übersetzt, und Französisch gedruckt zu Paris 1665, welches die fünfte Edition der alten Übersetzung ist. P. Maillard hat sie 1694 in  Französisch ausgegeben, aber Veschiedenes weggelassen. Lateinisch sind sie in Colon 1639 und 1710 und auch zu Amsterdam gedruckt. Die Deutsche Version zu Prag 1697 ist undeutsch und nicht wohl zu brauchen. Man hat sie auch in brabändischer und andere Sprachen übersetzt.

 

Maria Magdalena von Pazzis  (1566 – 1607)

Das Leben dieser Seele ist anfänglich durch ihren Beichtvater aufgesetzt, und öfters gedruckt worden, wie in italienischer, also auch in anderen Sprachen. Zu Paris ist es 1670 französisch ediret. Was 1693 in Würzburg von dem Leben dieser Heiligen deutsch herausgekommen, unter dem Titel der wunderlichen Predigtkanzel, ist wunderlich genug: die lateinische Edition ihres Lebens, zu Frankfurt, in Quarto gedruckt, ist weit besser; doch findet man ihre Reden und Aussprüche nicht darin. Aber die holländische Edition zu Antwerpen, 1653, hält alles miteinander in sich, was von dieser Person vorhanden. Dieser letzt benannten Edition haben wir uns, bei Ausfertigung dieses Auszugs, bedienet, und möglichsten Fleiß angewandt, einen zwar kurzen, aber doch genugsamen und ordentlichen Bericht von ihrem Wandel, und inneren Führung dem Leser mitzuteilen.

2. Ihr Leben ist ganz von Liebe und Leiden zusammengesetzt. Und weil sie durch die Liebe mit Jesu und mit seinem Kreuz vereiniget war, so hat sie auch durch einen unschuldigen, erbaulichen und tugenvollen Wandel, und nachdrückliche Reden, ihrem sonst ziemlich verfallenen Orden und Vaterland, ein gutes Licht und Reizung zur Nachfolge sein können. Dieser ihr heiliger Wandel gab nun auch wohl einen solchen Eindruck auf die Gemüter der übrigen, dass sowohl ihre Person, als auch die außerordentlichen Sachen, die mit ihr innerlich und äußerlich vorgingen, insgemein noch bei ihrem Leben, geliebet und hoch geschätzet wurden: Allein, wie es auf den Punkt kam, dass sie nachdrücklich auf eine wirkliche Reformation ihres Ordens drang, auch von dieser Materie in der Entzückung (die man doch sonst für göttlich hielt) viele Briefe an die Häupter der Kirchen dictiret; so hielt man doch solche Briefe zurück, aus verschiedene Absichten, wie man dabei setzt, so, dass selbige weder sind gedruckt noch gesandt worden: Ein abermaliger Beweis, dass man die Heiligen nicht ehre, um ihnen zu folgen, sondern damit man von ihrer Ehre sich selber ein Ansehen oder Vorteil erwerben möge.

3. Bei denen Entzückungen, welche dieser Seele sehr gewöhnlich waren, war dieses was sonderbares, dass sie in solcher Entsetzung ihrer Sinne viele nachdenkliche Reden von göttlichen Wahrheiten und Geheimnissen ausgesprochen, und zwar manches in fließender lateinischer Sprache, welche sie noch niemals gelernt hatte; auch sonst so wenig geübet war, dass sie kaum ihr Evangelienbuch lesen konnte. Von diesen ihren ausgesprochenen Reden, welche man, auf der Oberen Befehl, aus ihrem Munde aufschrieb, hat man aber, ihrer Weitläufigkeit wegen, hier nur weniges einfügen können.

4- Dass dieser Person, welche doch von Kindheit an in ziemlicher Unschuld gelebet, und, wie aus allen Umständen zu schließen, durch merkliche Ausbrüche der Eitelkeit und Sünden sich niemalen viel besudelt hat; nichts destoweniger, mehr als einmal, solche erschröckliche, und etliche Jahre anhaltende Leiden und Läuterungsumstände durchgehen müssen: dabei mag der liebe Gott wohl mit den Zweck gehabt haben, dass sie sich der ihr verliehenen Gaben und Offenbarungen (2. Kor. 12,7) nicht überheben mögte. Wir haben aber nebst dem hohe Ursache, dieses daraus zu lernen: dass wir uns mit keinem verneinenden, und bloß äußerem Christentum befriedigen lassen, als wenn Böses lassen und Gutes tun schon eine Heiligen machte: sondern dass wir es lernen glauben und erfahren, dass unser Verderben sehr groß und tief im Grunde stecke, und nichts wenigeres als die innerlich wirkende göttliche Kraft unseres Heilandes erfordert werde, dieses Übel an der Wurzel zu entdecken und auszurotten, und uns seiner wesentlichen Vereinigung fähig zu machen. Es h at unserem Jesu Leiden und Blut gekostet, wie er uns die Vergebung der Sünden erworben, und das Werk der Erlösung für uns ausgeführet hat: Es gehet aber auch bei uns nicht ohne Leiden ab, wann seine Gnade und Geist dieses große Werk in uns vollendet. Ergeben wir uns nur seiner Liebesleitung in kindlichem Glauben, und lassen ihn unbedingt mit uns machen, so wird das  (Jak. 5,11) Ende des Herrn herrlich sein.

 

 

Marina von Escobar  (1554 - 1633)

Man muss gestehen, dass der Weg des reinen Glaubens, da eine Seele dem Zug des Geistes Jesu in ihrem Grunde folgend, sich ausführen lässt aus sich selbst, und allem Geschaffenen, um Gott im Geist und in der Wahrheit anzuhangen, zu dienen, und seiner Gemeinschaft teilhaftig zu werden, der unbetrüglichste, sicherste auch unentbehrliche Weg sei; und dass hingegen derjenige Weg, da die Seelen über und neben dem, auch andere außerordentliche Gnadengaben, Lichter, Entzückungen, Offenbarungen, und andere übernatürliche Mitteilungen erfahren, mancherlei Betrug und Gefahren, in diesem Teil, unterworfen sei.

2. Daraus aber muss der Schluß nicht gemacht werden, dass die Seelen, welche durch solchen Weg gegangen, drum auch wirklich betrogen, und verführet sind, keineswegs. Gott weiß, wie er einen jeden leiten soll und will, und den er bei der Hand hält, der gehet überall sicher. Er, der Paulus durch die Faustschläge eines Satansengel bewahret hat, dass er sich seiner hohen Offenbarungen nicht überheben mögte: der weiß noch tausend andere Mittel, um die Seelen, die nichts als ihn suchen, auch auf ganz unebenen Wegen, sicher zu leiten. Wir sollen nur, so viel an uns ist, das sicherste erwählen, und uns keiner hohen außerordentlichen Dinge, aus Selbstliebe, gelüsten lassen. Im übrigen aber müssen wir Gott, in seinen Führungen und Mitteilungen keine Schranken setzen wollen; sondern alles veneriren, was von ihm kommt, und zu ihm leitet; ungezweifelt glaubende, dass er , als ein unendlich vollkommenes, freimächtiges und gütigstes Wesen, sich auf unendlich verschiedene Arten seinen Heiligen und Geliebten mitteilen könne und mitgeteilt habe, zur Kundmachung seiner göttlichenn Großtätigkeiten und Wunder.

3. Wenn ich nun so mancherlei, auch seltsame und außerordentliche Sachen, in den Leben einiger Heiliger finde, so gehe ich meines Erachtens, nach dieser Spur ganz sicher. Denn gesetzt, es trüge sich als einmal zu, dass von einer solchen Seele, etwas als eine göttliche Ansprache oder Offenbarung angegeben würde, welches aber wirklich nur aus ihren eigenen guten Gedanken entstanden, inzwischen wäre es in sich eine schöne und Gott verherrlichende Wahrheit: Und ich, ohne einem andern die Rechnung machen zu wollen, nähme solches an, wofür es ausgegeben wird, und brauchte es treulich zu meiner Erbauung und Gottes Verherrlichung: so muss ein jeder Verständiger gestehen, dass ich auf solche Weise nicht allein keinen Schaden davon hätte, sondern auch darin gottgefälliger zu Werk gegangen wäre, als wenn ich mich (ohne göttliche Gewißheit) darüber zum Richter, und zugleich in die wichtige Gefahr setze, Gottes Gaben in seinen Heiligen zu verschmähen oder zu verwerfen (s. a. Vorbericht d. Hl. Hildgard).

4. Diese Person und gegenwärtige Lebensbeschreibung wolle dann ein bescheidener Leser auch also brauchen, dass seine Seele Nutzen und Gott Ehre davon habe. Ich hab es unter dem Schreiben, Gott sei Lob, erfahren, dass solches geschehen könne. Nur hüte man sich, wie schon ist erinnert worden, dass man sich in nichts ungewöhnliches verbilde, oder danach gelüsten lasse, sondern man sehe an das Wesentliche ihrer Gottseligkeit: ihre Herzenskleinheit und Reinheit, ihre kindliche Furcht, brünstige Liebe, ihren Leidenssinn, und endlich unverrückten Wandel in dem Angesicht Gottes, welche liebenswürdige Gestalt überall hervorleuchtet. Diese Beschaffenheiten sind uns allen nötig, und machen uns fähig, dass Gott sich uns mitteilen könne, nach seinem Wohlgefallen.

5. Auch im Original besteht diese Lebensbeschreibung fast gar aus der Person eigenen Berichten, welche sie ihren Seelenführern auf Befehl, von Zeit zu Zeit, hat erteilen müssen. Der erst und wichtigste Teil derselben ist von Ludovico de Ponte, der andere aber, welcher die neun letzten Jahre ihres Lebens samt ihrem seligen Absterben in sich hält, von Adrea Pinto Ramirez, der auch einer aus der Societät Jesu, geschrieben worden. Beide Teile sind aus dem Spanischen ins Lateinische übersetzt, und gedruckt, und auch 1700 in deutscher Sprache zu Prag in Folio heraus gegeben worden.

6. Das Ansehen des Ludovico de Ponte gibt der Aufrichtigkeit der Sachen ein merkliches Gewicht, weil er, als ein verständiger und gottseliger Mann, durch seine erbaulichen Schriften sich bekannt gemacht, und dabei ganze 30 Jahre lang der Maria von Escobar Seelenführer gewesen ist. Er starb einige Jahr vor der Maria, und sagte auf seinem Totenbett dieses von ihr: „ Was sich beim Absterben der Maria begeben werde, weiß ich nicht, was aber bei ihrem Leben vorgegangen, das sind die seltsamsten Sachen, welche jemals in den Kirchen Gottes sind geschehen“. Und als er kaum noch reden konnte, fiel ihm noch etwas ein, das er, von dem was mit der Maria vorgegangen, zu verzeichnen vergessen hatte; wie er nun solches durch einen Vertrauten aufschreiben lassen, sprach er: „Herr, nun hab ich meine Pflicht ein Genüge getan, in deine Hände befehle ich meinen Geist“.

7. Die Ehre oder Schande, die man Kindern Gottes im Leben oder Tod erzeiget, beweisen zwar weiter nichts, als die Eitelkeit und Unbeständigkeit der menschlichen Urteile: dass aber unserer Marina, einer von Almosen lebenden 80 jährigen Jungfer; wie sie gestorben, die ganze große Stadt Valladolid, Ehren halber neun Tage nacheinander feierliche Leichbegräbnis gehalten; und sämtliche sogenannte geistliche Orden, auch die, welche sonst einander zuwider sind, darin doch überein gestimmet, dass sie alle und jede dieser Verstorbenen Gedächtnispredigten und Lobreden um die Wette gehalten: solches beweiset doch, meines Erachtens, so viel, dass ihr Leben und Wandel so viel Jahre hindurch ganz untadelig müsse gewesen sein.

8. Johannes Angelus Silesius, nachdem er in der Vorrede seines Cherubinischen Wandersmanns, einige der fürnehmsten Mystischen Lehrer benennet hat, sagt endlich:“ Was man bei jenen von der geheimen Gottesweisheit gelesen, solches wird man am allertröstlichsten mit großer verwunderlicher Begierde und herzlichem Verlangen, abgebildet finden, in dem unlängst herausgekommenen Leben der Ehrw. Jungfrau Maria de Escobar, welche allein, aus gnädiger Verleihung Gottes, alles dessen gewürdiget worden, was jemals alle, dieser geheimen Gotteskunst Erfahrenen insgesamt geschrieben und aufgezeichnet haben“.

9. Dieses über die Maße günstige Judicium, könnte bei einigen, auch Protestanten, wohl ein Verlangen erwecket haben, eine dergleichen rare Lebensbeschreibung selbst zu sehen: Mancher Liebhaber aber sollte recht stutzen, wenn ihm bei der Nachfrage ein ziemlich starker Foliant-Band feil geboten würde. Solche nun hoffe ich wenigstens einen Dienst erwiesen zu haben, durch Ausfertigung dieses kurzen, und doch vielleicht hinlänglichen Auszugs, solcher gewaltig großen Lebensbeschreibung, als wodurch ich ihnen die Mühe und Kosten erspare, die Erbauung aber von Herzen gönne, und durch solche meine dran gewandte Arbeit übrig bezahlt achte.

10. Die große Abgeneigtheit der Maria, außerordentliche Dinge zu erfahren, hab ich zwar in der Geschichte selbst einigemal berühret, vielfältig aber, den Raum zu ersparen, übergangen. Sie tat auch nach so überaus vielen Versicherungen so sie bekommen, darin solchen Widerstand, der manchmal zu weit zu gehen schien. Kurz, ich glaube, dass Johannes a Cruce und Franziscus de Sales an ihrer Behutsamkeit bei Erfahrung dieser Dinge, nicht das geringste hätten auszusetzen gehabt.     Gott lasse es alles zu seiner größeren Ehre nützlich sein!

 

Baltasar Alvares  (1533 - 1580)

Gelehrtheit und Erleuchtung beisammen haben, ein wirksames und ein beschauliches Leben zugleich führen, ist nicht so leicht gemein, als man denken möchte: Aber noch weit seltsamer, und doch sehr notwendig ist es, dass, wo diese Dinge beisammen sind, selbige in rechter Ordnung untereinander stehen. Man findet es noch wohl, dass gelehrte Leute einiges Licht von Oben haben, bisweilen mehr, bisweilen weniger; allein, ihre Gelehrtheit, ihre durch Fleiß erlangten Begriffe, Geschicklichkeiten und verständliche Wirksamkeiten, unterwerfen sie nicht wahrlich dem göttlichen Licht, und denen Wirkungen und Gnaden, wie doch höchstbillig wäre; sie wollen nicht immer, wie die unwissenden Schüler, von Gottes Licht und Unterweisung im Herzen abhängen, und an den Pfosten (Spr. ,34) seiner Tür wachende und wartende die Weisheit erbetteln: Sondern, wo man so im vorüber gehen ein Lichtstrählchen von Oben bekommt, da reißt es der Verstand an sich, formt es nach seinem Gefallen, schränket es ein, dehnet es aus, und machet seine Sachen schön damit. Kurz der wirksame Verstand ist Herr, und läuft voraus; da er als Knecht dem göttlichen Licht Untertan sein, demselben nur folgend und nicht ohne Erlaubnis wirken sollte: Und lassen so in Gottes Schein, Sein einziges Schau`n und Wirken sein; wie ein deutscher Jesuit (Angelus Silesius) recht gesungen hat.


2. Gerade so gehets auch mit dem wirksamen und beschaulichen Leben. Ich verstehe hier durch das wirksame Leben, die Beschäftigung zur Bekehrung, und zum Heil des Nächsten; durch das beschauliche aber, den geheimen Umgang mit Gott durch´s Gebet: zu seiner Zeit kann beides wohl miteinander bestehen. Ich sage, zu seiner Zeit, denn die unreife Lehr- und Bekehrsucht gehöret nur zum Christentum, wie die Krankheit zum Leibe; und denke ich, es müsse einer also ziemlich was mit Jesu (Apg. 1,21-22) durchgewandert sein, ehe er in die engere Apostelwahl dürfe eingesetzt werden. Hat doch der Sohn Gottes selbst, nicht ohne Geheimnis, dreißig Jahre lang sich verborgen gehalten, ehe Er sein offenbares oder wirksames Leben angetreten.

 
3. Und wenn nun einer auch wirklich vom Heilande zum Dienst und Aufweckung des Nächsten berufen und gesandt ist; so muss dennoch das wirksame Leben, nach wie vor, dem beschaulichen untergeordnet bleiben, und dieses sein Hauptgeschäft bleiben. Ich will sagen, es müssen solche Jünger nicht so immer am wirken, heraus gehen, und reden bleiben; sondern es ist auch solchen Aposteln (Mark.6,30) nötig, dass sie vielfältig sich wieder zu Jesu versammeln, sich mit Ihm unterreden, und an einem einsamen Ort ein wenig ruhen. Ja, auch sonst in ihrem Umgang und Arbeit an andern, sich nimmer so gar heraus schütten, dass sie darüber das Attende tibi ipfi(1.Tim.4,16) Acht haben auf sich selbst versäumen, oder dem Acht haben auf die Lehre nachsetzen wollten; denn so könnte es geschehen, dass man (1.Kor. 9,27) andern predigte, und selbst verwerflich erfunden würde.


4. Der Mann, dessen Leben wir hier vor uns haben, hat dieses ziemlich eingesehen, und auch in seinem Grad, und nach den Umständen, worin er sich befand, auszuüben gesucht. Einmal, wir alle, sonderlich auch Prediger und gelehrte Leute können noch manche heilsamen Lektionen bei ihm finden.
Ich weiß wohl, dass die Jesuiten bei manchen übel angeschrieben stehen, es mag auch hie und da genug Gelegenheit zu diesem Verdacht gegeben sein worden. Sonderlich weiß ich, dass sie von den Protestanten als eine, zur Zeit der Reformation aufgekommene, Stütze des Antichristentums angesehen werden: das sind aber Streitfragen, die hier nicht zu erörtern sind. Unser Baltasar Alvares ist ein Jesuit, ja einer von den ersten, auch dazu ein Spanier, und doch dabei ein erleuchtetes Kind Gottes gewesen. Gleichwie er nun ein Jesuit vom obersten Rang war, (denn er hatte von ihre sog. vier Gelübden Profession getan, auch sonst die ansehnlichsten Ämter bekleidet) so haben wir drunten im 9. Kap. den gottseligen Wandel eines Jesuiten vom niedrigsten Rang, der dem Baltazar ein lieber Bruder gewesen, zugleich angeführet. Kann man also ja sehen, dass Gott sich nirgend einen Annehmer der Person erwiesen habe.
Der fromme und gelehrte Ludovicus  ponte, welcher den Baltazar genau gekannt, und ihn seinen Vater und Meister nennet, hat dieses Leben in spanischer Sprache weitläufig beschrieben; ist hernach brabändisch übersetzt, 1639 zu Antwerpen herausgegeben, und auch 1670 lateinisch gedruckt worden. Dieser berühmte Autor versichert, dass er nicht erzähle, als was er für gewiß und wahrhaftig halte; teils hätte er es selbst gesehen, und gehöret, einiges sei ihm auch von glaubwürdigen und mit dem Baltazar vertraut gewesene Männern communicirt, und endlich, so habe der Baltazar selbst in einem Schreibbüchlein viele ihm von Gott erwiesene Gnaden verzeichnet hinterlassen. In diesem Auszug haben wir aus allem das wichtigste und nützlichste, in möglichster Ordnung einzubringen uns bemüht. Gott lasse es zu seiner größeren Ehre gesegnet sein.

 

Hildegard von Bingen  (1098 - 1179)

Von diesem außerordentlichen Charakter müssen wir hier nun auch ein paar Exempel diesen Versammlungen heiliger Seelen mit beifügen. Es gibt unrichtige böse Gesichter und Offenbarungen, wie es auch falsche Propheten gibt; auch werden manche aus zu starker oder zu schwacher Einbildungskraft geborene Phantasien, und andere erdichtete Mährlein, vielfältig als treue Ware zu Markte gebracht; und da gilt das Wort Sirachs (Sir.19,4), wer leicht glaubet, ist leichtsinniges Herzens, etc. Es gibt aber auch richtige, aus gutem und göttlichen Ursprung herstammende Gesichter, Offenbarungen und Weissagungen: die heilige Schrift ist voll davon, in der Kirchenhistorie und andern echten Schriften findet man auch häufige Spuren und Beweise. Und es ist so weit davon ab, dass Gottes Geist sich irgendwo ein Ziel gesetzt haben sollte, diese seine Kräfte im neuen Testament zurück zuhalten, und nicht mehr (Weish. 7,27) für und für in die heilige Seelen sich einzugeben, Gottes Freunde und Propheten aus ihnen zu machen: dass derselbe vielmehr durch seine alten Propheten schon vorher verkündigen lassen, dass eben in den letzten Tagen diese außerordentlichen Gaben sehr allgemein sein sollten; also, dass (Joel 3.1.6) Alte und Junge, Männer und Weiber, auch so gar Knechte und Mägde weissagen sehen, und Träume haben würden.
2. Gleichwie man nun, weil es falsche und böse Gesichter, Offenbarungen, Weissagungen, u. dergleichen gibt, behutsam sein muss, dass man nicht alles so ungeprüft annehme: Also muss man, weil es auch wahrhafte und göttliche gibt, an der anderen Seite auch alle Vorsichtigkeit gebrauchen, dass man nicht alles so ungeprüft verwerfe. Weil man weiß, dass es manche falsche Edelsteine gibt, deswegen wirft man nicht flugs alle hinweg. Drum so lasse man in dieser ungläubigen letzten Zeit, Pauli Spruch auch noch gelten, den (1. Thess. 5,19,20) Geist dämpfet nicht, die Weissagungen verachtet nicht.
3. Wenn aber geübte und erleuchtete Mystici raten, man solle dergleichen außerordentliche Dinge ja nicht begehren; und wo man solche empfangen, nicht groß achten; sich nicht dabei aufhalten, vielmehr vorüber gehen; damit man weder verführet noch aufgehalten werde; sondern in freier Geistesabgeschiedenheit und reinem Glauben Gott über alle Dinge anhangen, und zu seiner unmittelbaren Vereinigung fortschreiten könne: wenn sie also raten, dann betrachten sie die Sache mit Absicht auf diejenigen Personen, welche solche erfahren oder erfahren könnten; und da sind solche Verwahrungen richtig und nötig. Wir aber betrachten hier diese Dinge mit Absicht auf uns, wie wir solche ansehen und aufnehmen sollen: und da können wir, nach der Wahrheit (und auch nach solcher Männer Geständnis) nichts anderes sagen, als dass wir verpflichtet sind solche Sachen (nachdem sie bewährt erfunden worden) mit gebührender Ehrfurcht anzunehmen, und uns selbige bestens zu Nutze machen. Wir gestehen auch dieses, dass nichts außerordentliches ein bindender Beweis von der Heiligkeit, will geschweigen größeren Heiligkeit einer Person sei; manchmal werden solche Sachen auch noch gar nicht weit geförderten Seelen mitgeteilet; dass aber auch göttliche Offenbarungen, Gesichter, usw. bei sehr erhabenen und apostolischen Ständen wohl bestehen können, kann das einzige Exempel jenes Adlers, des Apostels Johannis genugsam beweisen.

4. Bei Prüfung solcher Sachen, setzt es nun freilich einige Schwierigkeiten. Denn zu geschweigen, dass nicht ein jeder den Geist der Prüfung inwendig bei sich hat; so finden wir auch, dass Gottlose bisweilen richtige Offenbarungen (Bileam, 4.Mos. 22,23-24) gehabt; wahre Propheten hingegen wohl einmal aus eigenem Geist oder (Nathan, 2.Sam. 7,2-3) Gutdünken geredet haben; und noch öfter finden wir, dass diese auf Gottes Befehl etwas geweissaget, welches nach dem Buchstaben (Jes. 38) keineswegs erfüllet worden; weil entweder die Menschen, die es betraf, sich zum Guten (Nathan) oder Bösen (Jer. 18,7-8) geändert, da dann Gott auch sein Wort gewendet; oder aber, weil Gottes Worte nicht nach Gottes  (1.Sam. 2,30-32) Meinung verstanden und applicirt wurden.

5. Dem allen aber unbeachtet gehet derjenige, unseres Erachtens, hierbei sicher und Gott gefällig zu Werk, der sich bei dem vom Heilande selbst gegebenen Probierstein feste hält; dass man es nämlich (Mathh. 7,16) an den Früchten erkennen werde, welche wahre oder falsche Propheten seien; welcherlei Früchte und Kennzeichen einer guten Geistesbewirkung uns unter anderem Paulus, Gal.. 5,22 und Jakobus, Kap. 3,17 deutlich benennet haben. Solchem nach, wenn ich finde, das eine Person in unaffectirter Gottseligkeit und Demut lebet; dass ihr Gemüt und Wesen beruhiget, und ihr Umgang erbaulich sei: dass sie auch bei Erfahrung solcher Außerordentlichkeiten noch gottseliger und demütiger wird; dass sie solche zu erfahren oder auszubreiten nicht triftig, sondern dabei vielmehr in heiliger Furcht und Abgeneigtheit stehet; dass sie auch bis zum seligen Tod Gott getreu bleibet; und was den Inhalt an Offenbarungen, Gesichter u.s.w. betrifft, dass selbiger mit der Heiligen Schrift übereinstimmet, oder doch (Gal. 1,8) im geringsten nicht zuwider, sondern Gott verherrlichend und zu Gott leitende sei: und wo auch noch über dieses, im Punkt der Weissagungen, einiges, so man natürlicher Weise nicht vorher wissen können, durch den Ausgang schon als Wahrheit ist bewiesen worden: wenn ich sage, sage ich, solche Merkmale in einer Person, und ihren außerordentlichen Dingen finde, da würde ich mich einer großen Verwegenheit und strafbaren Undankbarkeit gegen Gott schuldig machen; wo ich solche Zeugnisse verwerfen, oder in den Wind schlagen, und nicht vielmehr mit gebührender Hochachtung annehmen wollte.

6. Solche Früchte und Merkmale nun insgesamt, finden wir in diesen heiligen Seelen, und in dem Wenigen, so wir hier von ihren außerordentlichen Geistesgaben zur Probe der Kirchen Gottes in deutscher Sprache mitteilen.

7. Sowohl der Hl. Hildegardis, als auch der Elisabeth Gesichter und Offenbarungen sind am ersten zu Paris 1513, in Folio, herausgekommen, jene unterm Namen Scivias in drei Büchern, diese in sechs Büchern; wobei noch, außer denen zu anfangs stehenden Büchern des Apostolischen Mannes Hermas, und des H. Roberti Offenbarungen, auch zu Ende beigefüget sind die Offenbarungen der heiligen Mechtildis. Dieser raren Edition haben wir bei Ausfertigung dieser Lebensläufe uns bedienet; dabei aber auch gebraucht der Hildegardis Briefe, Lebenslauf und andere Tractätlein, welche in Quarto zu Köln 1566,herausgekommen, unter dem Titel: S.Hildegardis Epistolarum Liber & c. Trithemius  benennet noch andere Schriften der Hildegardis, die wir nicht gesehen; wie er dann auch 135 Briefe benennet, deren wir doch nur etliche und fünfzig gefunden haben.
Godfried Arnold, der die Hildegardis selbst für eine  gottselige und erleuchtete Person gehalten, welche die Gabe der Weissagung gehabt hätte, bezeuget am andern Ort, dass sie nicht nur von Römischer, sondern auch von Protestantischer Seiten gerühmet und gebilliget werde: wobei er dann die Centuriatores Magdeb. und des Cave H.L.p.476. anführet. Von den Röm. Katholischen sind die vielen Lobsprüche anzuführen überflüssig.

8. Die Elisabeth von Schönau wird zwar auch von Römischen und Protestanten  als eine heilige Seele gerühmet; sie sind aber doch mit allem, was in ihren gedruckten Büchern sich befindet, nicht recht zufrieden. Da hat man nun wohl hauptsächlich sein Auge auf die ihr zugeschriebene Offenbarung von denen 11000 Jungfrauen: Wir können unterschiedliches zu ihrer Rechtfertigung darauf antworten, dieses eine aber sei schon genug, dass weil sie noch bei ihrem Leben, in einem an die Hildgardis geschriebenen Briefe, darüber sich beklaget (Libr.Epist.Hildeg. p.m.111), dass einige aus ihrem eigenen Geist Dinge schrieben, und unter ihrem Namen herum tragen; wir alle Ursache zu gedenken haben, dass diese vergebliche Offenbarung untergeschoben sei. Hier haben wir nicht das Geringste von dergleichen verdächtigen Stücken berühret; sondern alles prüfende, das unstreitig Gute und Göttliche daraus behalten, im Vertrauen, dass denen Guten alles Gute Wert, und noch manchem erbaulich sein werde. Wozu es der Herr segnen wolle.


 

Elisabeth von Schönau (1128 – 1164)

Da ich vorhin gesinnet war, diesen Lebenslauf nur dem vorhergehenden von der H. Hildegardis als in einem Stück, beizufügen: Daher, hab ich auch daselbst im Vorbericht schon gesagt, was von dieser Person hier würde zu erinnern gewesen sein. Will also den geneigten Leser nur dahin zurück gewiesen haben.

 

Die Heilige Mechthild  (1207 - 1282)

Die Schriften der H. Mechthildis sind zu Köln 1660 in octavo, unterm Namen der Offenbarungen, in fünf Büchern heraus gekommen; lateinisch aber unter folgendem Titel: Liber gratiae spiritualis, zu Paris 1536, wie sie dann auch eben daselbst zum erstenmal 1513 in Folio, zugleich mit denen Offenbarungen der Heil. Hildegardis und der Elisabeth von Schönau gedruckt sind. Und dieser ältesten Edition haben wir uns bei diesem Auszug bedienet; dabei in dem, was die Geschichte des Lebens betrifft, die Infinuationes ihrer Schwester Gertrudis mit zu Hilfe genommen.

2. Die Mechthildis wird in der Römischen Kirche, nicht nur überhaupt, als eine canonisirte Heilige, hoch gehalten; sondern auch von Gelehrten, und zugleich das inwendige Christentum liebenden, unter die Heiligen und von Gott gelehrte Weibspersonen gezählet. Sandaeus zeuget folgendes von ihr: Sie handelt vielfältig mit ihrem himmlischen Bräutigam, wie eine Liebhaberin der geheimen Gottesgelehrtheit. Und der Bräutigam war ihr sehr günstig, und zeigte sich ihr. Danach hat sie von Gott geschöpfte Lehre, Liebesbewegungen und himmlische Eingebungen verfasset in dem Büchlein von der geistlichen Gnade und Offenbarung; durch dessen Lesung, wie wir wissen, einige zur Liebe der Oberen Weisheit sind entzündet worden. Und dieses Letztere ist wohl die beste Approbation.

3. Unter den Protestanten führet Herr Arnold des D. Mart. Geiers Tractat von der Allgegenwart Gottes an; worin selbiger der Mechthildis Leben, als einer heiligen Jungfrauen, und ihre gehabten Offenbarungen angezogen habe. Wie auch P. Poiret sie eine Erleuchtete, und ihres gemeinsamen Umgangs mit Gott, und gehabter Gesichter wegen, Berühmte nennet. Und am andern Ort führet derselbe eine ganze Offenbarung von ihr an; die wir doch in diesen Auszug einbringen, aus besonderen Absichten, Bedenken getragen. Insgemein aber sind der Mechthildis Sachen wenig bekannt, weswegen wir ihr hier zum Beschluß einen kleinen Raum zu gestatten dienlich und erbaulich geachtet haben.

 

Nikolaus von der Flüe  ( gen. Bruder Claus von Unterwalden, 1417-1487 )

Nicht allein dieses Mannes heiliges Leben, sondern auch seine außerordentliche, und aller Vernunft unbegreifliche zwanzigjährige Enthaltung, ist durch eine solche Menge unverwerflicher Zeugen und unläugbarer Proben bestätiget, dass die Vernunft selbst keinen Schein, die Sache in Zweifel zu ziehen, hat ausfinden können; sondern eins mit dem andern von vielen Gelehrten, unter allen Parteien der Christenheit, für wahr erkannt, bewundert und gerühmet wird.

2. In dem Jahrbuch der Pfarrkirche zu Sachseln, findet sich auf das Jahr 1485 folgendes verzeichnet: „ Bekannt und offenbar sei männiglich, daß um das Jahr Christi 1417 war ein frommer Mensch Nikolaus von der Flüe genannt, geboren und erzogen in der Pfarr Sachseln… der seinen Vater, Bruder, und eigene Hausfrau, Söhne und Töchter, als nämlich fünf Söhne und fünf Töchter, verlassen hat, und in ein Wildnis gangen, die man den Ranft heißt, allda ihn Gott erhalten hat ohne Speis und Trank, eine lange Zeit, nämlich achtzehn Jahr, da dies geschrieben worden; und er war noch selbiger Zeit guter Vernunft und eines heiligen Lebens, welches wir gesehen und wissen in der Wahrheit. So lasst uns derowegen Gott bitten; dass, wann er soll von diesem sterblichen Leibe abgefordert werden, er geführet werde an den Ort, allda Gott alle Zähren von den Augen der Heiligen abwischet. Amen“. Im Jahr 1488 steht im Kirchenbuch zu Sachseln der kurze  Bericht vom Leben und Sterben Nikolai. Darauf hat auch 1491 die Obrigkeit zu Unterwalden, die Wahrheit der Sache durch eine authentique und glaubhafte Schrift publizieren und bekräftigen lassen.

3. Der Herr von Gundelfingen, der mit dem Bruder Claus zugleich gelebt, ist der erste gewesen, welcher im ersten Jahr nach dessen Tod, nämlich 1488 sein Leben beschrieben, und der Obrigkeit zu Lucern dediciret hat. Danach 1501 hat ein berühmter Chorherr zu Bern, Heinrich Wölflein, eben dieses Leben beschrieben. Und auf diesen Autoren gründen sich alle folgenden Schreiber; wie er dann auch Fleiß angewandt, nichts zu berichten, als was er bewährt erachtete. Alle solche aber hier anzuführen, die entweder unsers Nicolai rühmlich gedacht, oder sein Leben ediret haben, ist zu weitläufig und auch unnötig.

4. Trithemius ist jedermann bekannt; der hat geschrieben als Bruder Claus noch lebte, und sagt unter andern folgendes von ihm: „Dieser Mann Gottes ist zu dieser Zeit ein Wunderwerk gewesen. Siehe, jetzt ist es schon das zwanzigste Jahr, da er in die Einöde getreten, und keine menschliche Speise genossen hat. Ich rede was jedermann aufs beste bekannt ist, also dass ich nicht verneine, dass ein einziger Mensch in Deutschland lebe, der den Bericht von diesem Wunderwerk nicht gehört habe.“

5. Unter den Protestanten nennet Lutherus selbst den Bruder Claus einen Mitzeugen Christi und hat über ein Gesicht desselben eine Erklärung nach seiner Art verfertiget. Die Catalogi Testium Veritatis, gedenken auch dieses Mannes rühmlich unter den Zeugen der Wahrheit. Wer mehreren Beweis von der Wahrheit der Geschichte dieses Mannes, bei Protestantischen Schreibern nachlesen will, der kann nur sehen was Oswald Myconius, Josias Simlerus, Theod. Zwinger in Theatro Vitae humanae, Stumpfius in der Schweizer Chronik, Sebastian Francke, und andere neuere Seribeuten, davon sagen, deren einige von Godfried Arnold angeführet werden; wie dann auch gemeldeter Arnold, das Leben dieses Mannes aus Johan Henrich Ursino, und andern, zusammen getragen und seinem Leben der Gläubigen mit einverleibt hat.

6. Unter den Römisch-Katholischen ist unser Claus 1669 feierlich beatisteiret, und dessen Geschichte noch 1732 in Lucern gar weitläufig herausgegeben worden; welcher letzern Edition wir uns hier bedienet haben, und dann einer alten, welche 1597 in Costnitz gedruckt worden. In keiner der beiden war des Clausen Tractätlein von der Abgeschiedenheit, welches Petrus Canisius herausgegeben. Wir haben selbiges, nebst einem Brief, so wie es im Arnold zu finden, und auch sonst des Tauleri seinem Tractat vom Armen Leben beigedruckt worden, hier mit angehängt; dass ich meine, es werde der Leser von des Clausen Lehre und Leben, schwerlich in großen Büchern so viel erbauliches beisammen finden, als hier in diesem Auszug.

7. Von seinem Wunder-Fasten macht man zwar kein Hauptstück der Heiligkeit, verstehet sich auch von selbst, dass es zu keiner Nachahmung erzählet wird: es ist aber doch Gottes Finger. Die Vernunft muss da stutzen, und Gott die Ehre geben, dass er Dinge tun könne, die ihr unmöglich und unbegreiflich sind. Ich denke hierbei, sollte man mit Gott allein nicht satt und selig sein können, bei einer Enthaltung von den eingebildeten Vergnügungen der Eitelkeit, da dieser Mann über dies sogar das liebe Brot mit Vergnügen hat entbehren können, weil Christi Fleisch und Blut seine sättigende Speise war?

8. Sonst kann sein Ernst in Absagung aller Dinge, seine Beständigkeit im Kampf und Leiden, sein inniger Wandel im Gebet und unverrückten Abgeschiedenheit mit Gott, welche in dieser Geschichte hervorblicken, uns gewißlich zur Aufmunterung nützlich sein. Von seiner inneren Führung ist wohl das wenigste den Menschen kund worden, allein, in seinem angehängten Tractätlein, Brief und Lehren, sehen wir zur Genüge seinen lauteren Grund, tiefe Einsicht und Erfahrung, in dem Proces der Wiedergeburt und innigem Wandel mit Gott, welches, wie wir wünschen, den Suchern solcher geheimen Spur, noch angenehm und erbaulich sein wird.   nikolaus von Flüe

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