Gleichnisse in der Literatur verschiedenster Kulturen sind eine große Bereicherung der
jeweiligen Sprache. Im Vorwort des Buches „DER KLANG“ von Martin Schleske findet sich das Zitat: „Die Menschen haben die Fähigkeit verloren, das
Buch, nämlich die Welt, zu lesen. Darum war es nötig, ihnen ein anderes Buch zu geben, das sie erleuchte, auf dass sie die Gleichnishaftigkeit der Dinge verstehen, die zu lesen sie nicht mehr fähig
waren. Dieses andere Buch ist die Heilige Schrift, die uns Gleichnisse der Dinge vorlegt, die in der Welt geschrieben stehen“ (Buonaventura
1221-1274). Martin Schleske, von Beruf Geigenbauer, wurde u. a. durch diese Zeilen zu dem o. g. lesenswerten Buch inspiriert. Dieses Buch „DER KLANG“ ist ein besonderes Beispiel, wie Gleichnisse zum Leben geschaffen werden.
Gleichnisse zum Leben schaffen bedeutet, sich durch eine kreative, leicht verständliche Ausdrucksweise, zu äußern. Literaturwissenschaftler
unterscheiden dabei verschiedene Formen, wie Parabeln, Bilderzählungen, Entsprechungen, Metaphern, Abbilder, etc. Es ist umstritten, ob die Differenzierungen viel Sinn machen, da die Übergänge
fließend sind. In jedem Fall können sie den Zugang sowohl zu Wissen (z. b.in der Wissenschaft) als auch zu Erkenntnissen erleichtern.
Der Duden definiert Gleichnisse so: “...kurze bildhafte Erzählung, die einen abstrakten Gedanken oder
Vorgang durch Vergleich mit einer anschaulichen, konkreten Handlung [mit belehrender Absicht] verständlich machen will. Es kommt aus dem mittelhochdeutschen: gleīchnisse, althochdeutsch gilīhnissa,
eigentlich = das, was sich mit etwas anderem vergleichen lässt“.
Gleichnisse erschließen sich manchmal erst im kulturellen Zusammenhang der jeweiligen Sprache. Stellen Sie sich vor, ein Asiate müsste ein Werk
Shakespeares übersetzen, ohne den kulturellen Hintergrund der englischen Sprache zu kennen. Diese Übersetzung würde zweifellos noch ungenauer werden, wenn sie anschließend in eine weitere Sprache
übersetzt werden würde. „Der Teufel steckt aber nicht im Detail“, wie gerne behauptet wird, sondern die Details der Redewendungen und Gleichnisse offenbaren sich erst auf dem kulturellen Hintergrund
der jeweiligen Sprache, z.B. der aramäischen Sprache.
Aramäisch war die Muttersprache Jesu. Deshalb kann es hilfreich sein, Gleichnisse und Redewendungen aus der Bibel
auch manchmal im Lichte der aramäischen Sprache zu lesen, so wie es z.B. Rocco A. Errico getan hat. Er war
Schüler des gebürtigen Assyrers Dr. George Lamsa (1892-1975), ein nahöstlicher Theologe. Errico schreibt: „Ein Gleichnis ist ein Wortbild, das ein Ereignis oder eine Lehre ausmalt oder
veranschaulicht. Die vorwiegende Absicht eines Gleichnisses ist, einen Eindruck zu vermitteln, nicht aber eine Definition zu geben oder ein Dogma aufzustellen. Ein semitischer Erzähler oder Lehrer
erzählt mehrere Gleichnisse, um dieselbe Sache zu erläutern. Spirituelles vermittelt zu bekommen und gleichzeitig unterhalten zu werden war eine Kunst, die die Menschen begrüßten. Es besteht kein
Zweifel, dass Jesus seine Zuhörer mit seinen Gleichnissen fesselte. Er war ein unterhaltsamer Redner – wahrhaftig ein Sohn des Nahen Ostens. Und wie uns der Verfasser des Evangeliums berichtet,
redete er „nur in Gleichnissen“ wie bei Matth. 13,34 zu lesen ist (Es werde Licht, Die sieben Schlüssel zur
aramäischen Welt der Bibel, Verlag J. J. Maurer)“.
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