„wer in mir bleibt, und in wem ich bleibe, der bringt Frucht“ (Joh. 15,5).
„Bleiben“ in das Schlüsselwort im Gleichnis vom Weinstock und den Reben, das gleich mehrfach vorkommt.
„Bleibt in mir, und ich in Euch“, sagt Jesus.
Dieses „Bleiben“ ist mehr als die Zugehörigkeit zu einer religiösen, christlichen Gemeinschaft. Es geht weit über das Einhalten von christlicher Tradition und Kirchengesetze hinaus. Man könnte dieses Bleiben in Jesus auch eine Geisteshaltung oder christliche Spiritualität nennen. Im Gleichnis wird betont, dass der Saft des Weinstockes die Rebe nur nähren kann, wenn sie am Weinstock bleibt. Jesus fordert daher dazu auf, die Beziehung zu ihm beständig zu pflegen. Im Gegensatz zur natürlichen, organischen Verbindung von Weinstock und Rebe, ist das „Bleiben in Jesus“, also die Treue im Glauben, eine sich entwickelnde Grundhaltung und Antwort auf das Angebot Gottes, in seinem „Weinberg“ zu sein und zu arbeiten. Zu diesem Ja wiederum gehört die Übung im Glauben, damit die Zusage Jesu: „Bleibt in mir, und ich in euch“, als geistliche Erfahrungen wahrgenommen werden kann. Bleibend und geduldig wartend lassen wir uns vom Apostel Jakobus gerne ermahnen: " So wartet nun geduldig, ihr Brüder, bis zur Wiederkunft des Herrn! Siehe, der Landmann wartet auf die köstliche Frucht der Erde und geduldet sich ihretwegen, bis sie den Früh- und Spätregen empfangen hat. So wartet auch ihr geduldig, stärkt eure Herzen, denn die Wiederkunft des Herrn ist nahe"! (Jakobus 5,7)
von Philipp Spitta gibt es dazu ein passendes Lied (EG 406)
https://www.youtube.com/watch?v=CzzOT1KVQT4
1. Bei dir, Jesu, will ich bleiben, stets in deinem Dienste
stehen;
nichts soll mich von dir vertreiben, will auf deinen Wegen gehen.
Du bist meines Lebens Leben, meiner Seele Trieb und Kraft,
wie der Weinstock seinen Reben zuströmt Kraft und Lebenssaft.
„Bleiben“ – in Gottes Gegenwart bleiben, und die vielfältigen Erfahrungen in dieser Übung,
finden sich zum Beispiel ausführlich bei Gerhard Tersteegen und Bruder Lorenz. Der Antrieb und die Kraft für diese Übungen, für das „Bleiben“, entspringen dem Vertrauen, von Gott bedingungslos
geliebt zu sein. Das wird z. B. deutlich im Text
„ der köstliche Weg der wahren Liebe „ von Gerhard
Tersteegen (Weg der Wahrheit).
Wer sich in die Überlieferungen und Literatur, die z. B. auf der Internetseite www.arbeiter-im-weinberg.de unter Arbeiter (über Gerhard Tersteegen und Bruder Lorenz) zu finden sind vertieft, wird deutlich erkennen können, was Jesus im 15. Kapitel des Johannes meinte mit den Worten: „ wer in mir bleibt, bringt Frucht“ und „ mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt“.
"Einer von Hundert liest die Bibel.
Die anderen 99 lesen den Christen."
(Dwight Lyman Moody (US-amerik.. Prediger)
Gerhard Tersteegen hat unermüdlich dazu angeleitet die Stille zu
suchen, und die Formen des inneren Gebets und des Herzensgebets zu praktizieren (s. Schule des Gebets v. Albert Löschhorn, Linea-Verlag 2009).
Außerdem hat er im Vorwort der Lebensbeschreibung von Bruder Lorenz (1611-1691) auch die folgende, kürzeste Anleitung praktizierter Spiritualität überliefert:
„Es bestehet aber diese Übung kürzlich darin:
Daß wir einfältig und andächtiglich glauben, daß Gott überall, und auch in unsern Herzen gegenwärtig sei.
Daß ER zu dem Ende bei uns und in uns gegenwärtig sei, damit wir Ihn daselbst anbeten, lieben und dienen sollen, gleichwie ER sich uns daselbst gerne mitteilen, und seine Lust in uns haben
will.
Daß wir uns demnach dieser Wahrheit des Glaubens öfters auf eine herzliche Weise erinnern, und uns als bei Gott, vor Gott, und in seiner Gegenwart seiende ansehen.
Daß wir diesen unsern gegenwärtigen Gott mit unsern Herzen anbeten, verherrlichen, lieben, und uns Ihm ganz übergeben.
Daß wir alles trachten zu tun, zu verleugnen und zu leiden, in einem saften und stillen Geist, als in seiner Gesellschaft, nach seinem liebsten Willen, Ihm zu Lieb und Ehren.
Daß wir uns auf eine liebreiche und stumme Weise mit Gott unterreden in unserm Herzen, und uns mit Ihm gemeinsam machen, als mit unserm liebsten und besten Freunde. Und zwar zu aller
Zeit, und bei allem was uns innerlich oder äußerlich vorkommt, es sei Gutes und Böses.
Daß wir auch zu dem Ende, unter unseren Geschäften, nu und dann ein Augenblick stille halten, um durch einen andächtigen Liebesblick auf Gott uns zu stärken, oder zu erneuern in dieser Übung.
Daß wir wahrnehmen und beantworten, die Liebeszüge und Lockungen Gottes in unserm Inwendigen, wodurch ER uns freundlich erinnern, stillen, sammeln, und mit sich vereinigen will. Und endlich,
daß wir nach einer jeglichen Zerstreuung oder Untreue mit demütigem Vertrauen alsbald zu unserer vorigen Übung wiederkehren, wie ein Kind zu seinem lieben Vater.
Sehet doch, was ist einfältiger und leichter zu fassen, als diese süße Lehre von dem Wege unseres Heils, welche unser armer Ley-Bruder Lorenz deutlicher und kürzer beschrieben, als mancher graduirter
Doctor in der Theologie nicht würde tun können. Und kein Wunder, denn darin übte er sich zu aller Zeit und an allen Orten, sowohl bei seinen Schüsseln in der Küche, als in der Kirche und Kammer,
beides in gesunden Tagen und in Schmerzen und Krankheiten; damit wir auch an diesem Exempel sehen mögten, daß nicht nur sogenannte Geistliche und Klosterleute, sonder ein jeder in seinem Stand und
Ort, in der Gegenwart Gottes, durch dessen Gnade, leben könne; ja, daß nichts leichter und lieblicher sei als eben dieses: wer es versucht, der wird es erfahren“ (v. G. Tersteegen in
„Auserlesene Lebensbeschreibungen Band II).