An dieser Stelle nennen wir Tersteegen einen Wegbegleiter, weil er seine Geschwister im Glauben auch als Pilger auf dem Weg ins „Vaterhaus“ sah. Denn selbst wollte er weder Seelenführer, noch Seelsorger genannt werden, was auf seine demütige Haltung gegen jedermann zurückzuführen war.
So heißt es in einem Brief an einen Freund: „ Auch ich bin kein Seelenführer, dazu bin ich viel zu gering. Dennoch entziehe ich mich nicht, Zeugnis zu geben von der Wahrheit des Inwendigen, wie Gott es mich hat erkennen lassen und meinen Brüdern nach Vermögen die Hand zu reichen, wie ein Kinde dem anderen tut“ (aus Die Mystik Gerhard Tersteegens für heute, S.120, Richard Reschika, Claudius-Verlag 2011).
In den meisten bedeutenden Schriften, die sich mit dem Wirken Tersteegens befaßt haben, sind die Autoren aber nicht umhin gekommen, Tersteegen einen Seelsorger zu nennen. So auch die
Karmelitin Giovanna della Groce:
"Tersteegen war Seelsorger, der sowohl in mühsamer Kleinarbeit wie in Gruppenpastorale sich einsetzte, das Christliche im Menschen zu erwecken, zu fördern, zur vollen Entfaltung zu bringen, um
ihn zu einem neuen Geschöpf in Christus (2.Kor. 5,17) zu machen.
Zu diesem Zweck dienten das gesprochene Wort (in den sog. Konventikeln) und das geschriebene Wort. Unzählige Menschen suchten ihn auf, baten ihn um Rat im religiösen Leben oder um Erklärung des Schriftwortes. Dies geschah in seinen Predigten, die zum Teil in den sog. „Geistlichen Brosamen“ überliefert wurden, in seinen B r i e f e n und mittels seiner „geistlichen Lieder“, die er als wirksames Mittel zur Förderung des inwendigen Lebens in der Gemeinschaft betrachtete. Tersteegen vereinte außerdem mit dem eigentlichen seelsorgerlichen Dienst eine reiche karitative Tätigkeit, die ihm Gelegenheit gab, seine medizinischen Kenntnisse zur Erleichterung körperlicher Beschwerden auszuwerten (Giovanna della Groce,Gerhard Tersteegen: Neubelebung d. Mystik als Ansatz einer kommenden Spiritualität,Verlag Peter Lang, Bern)
Briefseelsorge ist nicht überholt
Mehr denn je wird in der heutigen Zeit kommuniziert. Computer und Handy haben die Verständigung untereinander beschleunigt. Was die notwendige Diskretion in bestimmten Situationen anbelangt, bleibt der Brief ein bedeutendes Mittel in der Seelsorge. Im Internet lassen sich verschiedene Adressen zur Brief- und E-Mailseelsorge finden.